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Steuerungstechnik

meine einschlägige WIKIPEDIA-Arbeit
Steuerungstechnik
Ich habe viele Wikipedia-Artikel aus mehreren Wissensgebieten be- oder überarbeitet, einige auch vollständig. Wegen der Fülle der Artikel stelle ich mein Wissen und meine Auffassung oft nur in deren Einleitungen dar, überarbeite diese in der Regel aber vollständig.
Die Links führen meistens direkt zur jeweils letzten Artikelversion, die durch meine Arbeit entstand. Ich verweise bewusst nicht auf die aktuelle Version, weil in ihr meine Arbeit wieder verloren gegangen sein kann.

Veranlassung

Zu den folgenden Darstellungen wurde ich angeregt, als im Sommer 2015 in der Wikipedia der Artikel Steuerungstechnik(Version vom 3. Juli 2015) wesentlich verändert wurde. Im Besonderen wurde verneint, dass sich Regelung und Steuerung prinzipiell durch die Geschlossenheit des Regelkreises und die Offenheit der Steuerstrecke unterscheiden. Es tauchte ein Text aus DIN IEC 60050-351, Ausgabe 2014 auf, der besagt, dass zwar die durch die Eingangsgrößen beeinflussten Ausgangsgrößen nicht fortwährend und nicht wieder über dieselben Eingangsgrößen auf sich selbst wirken, dass aber Kennzeichen des Steuerns ein "offener oder geschlossener Wirkungsweg" sei. Aus der Literatur [1] wurde zitiert, dass zwischen Regelungen und Steuerungen grundlegende Gemeinsamkeiten bestünden, indem sowohl Regelungen als auch Ablaufsteuerungen eine Rückführung (Rückkopplung, feedback) von den Prozessgrößen zu den Eingängen besitzten (in der Quelle wörtlich: "... das Rückkopplungsprinzip auf der Basis geschlossener Wirkungsabläufe" haben). Abgesehen davon, dass darum gestritten wurde, ob als Gegenpart zu Regelkreis - Steuerkette, Wirkungsweg oder Wirkungsablauf das richtige Wort sei, scheint der einschränkende Bezug auf Ablaufsteuerungen darauf hinzudeuten, dass im DIN-Text "geschlossener Wirkungsweg" diese spezielle Steuerungsart gemeint ist, neben der andere Arten mit offenem Wirkungsweg/ablauf existieren.

Geschlossener Regelkreis <> Rückmeldung bei Ablaufsteuerungen

Die DIN-Beschreibung ist unbefriedigend, sie gibt den bisher vertretenen Unterschied geschlossener Regelkreis <> offene Steuerkette zwar auf, bleibt aber bei den gennannten zwei Möglichkeiten offener oder geschlossener Wirkungsweg diffus und unterscheidet nicht mehr deutlich zwischen Regelung und Steuerung. Die Wikipedia-Bearbeitung ist unbefriedigend. Anstatt in Kürze das Wesen der Steuerung, die verschiedenen Arten der Steuerung und den Unterschied zur Regelung darzustellen, ist die formale Kritik an der einschlägigen DIN-Schrift und der Hinweis auf bei Steuerungen möglichen feedback ausufernd behandelt. Was letzteren bertrifft, wird aber nicht deutlich (auch nicht in [1]), dass binäre Rückmeldungen bei Ablaufsteuerungen graduell einfachere Vorgänge als die Gegenkopplung analoger Signale im Regelkreis sind. Die Wikipedia-Bearbeitung besteht zum Teil aus durch das isolierte Abschreiben aus der Quelle zusammenhanglos gewordenen Sequenzen, wobei die bereits dortige [1] geringe Übersichtlichkeit nochmals gelitten hat.

Späte wissenschaftliche Bearbeitung und DIN-Begriffsrichtlinie

Die Steuerungstechnik wurde erst 1968 in die DIN-Richtlinie 19226 "Regelungstechnik und Steuerungstechnik: Begriffe und Bennungen" (heute DIN IEC 60050-351) aufgenommen. Vorher (seit 1944 VDI-, seit 1954 DIN-Richtlinie) war nur die Regelungstechnik behandelt worden. Der nun aufgenommenen Steuerungstechnik wurde als Kennzeichen der "offene Wirkungsablauf über ... die Steuerkette" zugewiesen (zum Vergleich über die Regelungstechnik: "Der ... Wirkungsablauf findet in einem geschlossenen Kreis, dem Regelkreis statt"). Am Werk waren Regelungstechniker, die offensichtlich für anspruchsvoll und erwähnenswert lediglich einen Regelkreis hielten, der durch Öffnen zu einer Steuerkette wurde (Anmerkung 1). Tatsächlich existierten zu dieser Zeit längst komplexe Steuerungen (Anmerkung 2). Ich erinnere mich an eine solche (heutiger Begriff: Ablaufsteuerung), die ich Mitte der 60er Jahre überarbeiterte: etwa 15 von Sensoren stammende Eingänge und einige Berdienknöpfe, etwa 10 Ventile, Pumpen und Motoren als Stellglieder. Zu dieser Zeit fehlten nicht nur definierte Begriffe (benutzt wurde Bedienungs-, Sicherungs- und Überwachungsautomatik eines sehr schnell laufenden Rotors (das Objekt war eine Zentrifuge, in dessem Rotor eine Beschleunigung von etwa 400'000 g für wissenschaftliche Untersuchungen (Sedimentation von Partikeln mit Molekulargewicht > 1000 aus Flüssigkeiten) erzeugt wurde), sondern auch theoretische Unterstützung und Gestaltungswerkzeuge. Ich benutzte zur abstrakten Darstellung der geräte- und prozesstechnischen Zusammenhänge die Bool'sche Algebra, machte eine Anleihe bei der Schalttechnik, die damals Synonym für komplexere Steuerungen war (Anmerkung 3).

Eine ausreichend breite wissenschaftliche Bearbeitung der Steuerungstechnik findet erst seit dem Ende des letzten Jahrhunderts statt. Ihr wurde endlich 1994 in der DIN-Richtlinie 19226 Rechnung getragen, allerdings halbherzig und mangelhaft, wie oben beschrieben (und nachhaltig, denn ihre im Wesentlichen unveränderte Umschreibung zu DIN IEC 60050-351 gilt bis heute).

Regelung und Steuerung

Steuerung ist wie Regelung ein Teilgebiet der Automatisierung, wobei "dynamische Prozesse in ihrem Verlauf erfasst und gezielt beeinflusst" werden [2]. Diese allgemeine Formulierung lässt sich für die Regelung enger fassen. Ihr gezielter Einfluß richtet sich darauf, Prozessgrößen unbeeinflusst von Störungen konstant zu halten oder zu verändern, während es bei der Steuerung beim gezielten, aber gegen Störungen nicht gewappneten Einfluss bleibt. Somit lässt sich die Funktion der Regelung im Sinn von Ursache und Wirkung anhand eines Standard-Regelkreises mit Soll-Istwert-Vergleich prinzipiell beschreiben. Die Aufgabe ist das "Einregeln von Sollwerten". Bei Steuerungen ist eine vergleichbare Gemeinsamkeit nicht vorhanden [2], die Steuerung lässt sich nicht enger als die Automation definieren. Indirekte Unterschiede zwischen Regelung und Steuerung sind: 1) In den meisten Steuerungen werden im Gegensatz zu Regelungen binäre Signale und diese nicht grundsätzlich permanent verarbeitet. 2) Die Zahl der miteinander verknüften Ein- und Ausgänge in ausgeführten Regelungen und Steuerungen ist unterschiedlich (bei der Regelung sind es je einer oder wenige, bei heutigen Steuerungen sind es üblicherweise je zehn bis über hundert). Die theoretische Behandlung ist aber nicht nur quantitativ sondern auch qualitativ (Beschreibung der größen- und zeit-stetigen regelungstechnischen Zuasammenhänge mit Differentialgleichungen <> Modellierung der Verknüpfung einer großen Zahl von binären steuerungstechnischen Signalen mittels diverser Methoden: Bool'sche Logik, sogen. Automaten, Petri-Netze, sogen. Temporale Logik, [2]) verschieden.

Arten von Steuerungen

Beim Steuern gibt es nicht ein Grundprinzip wie den Soll-Istwert-Vergleich, folglich auch nicht wiederkehrende Strukturen wie PID [2] (Proportionale, Integrale, Differentielle Übertragungsfunktion). Eine Zusammenfassung zu Steuerungsarten ist nicht naheliegend und wird in der Fachliteratur nicht einheitlich oder gar nicht ([2]) vorgenommen. Es folgt eine an der Art der Signale orientierte Gliederung ([1]):

analoge Signale: analoge bzw. stetige Steuerung
binäre Signale: binäre Steuerung: Plan-, Verknüpfungs- und Ablaufsteuerung

analoge Steuerung
Die Steuereinrichtung hat analoge Eingänge (Führungsgrößen), analoge Ausgänge (Stellgrößen) und analoge Steuergrößen (Prozessgrößen). Der Wirkungsablauf ist offen (Anhang 1).

binäre Steuerung
· Plansteuerung:
Die Beeinflussung der Prozessgröße/n erfolgt nach einem festen Plan/Programm. Die binären Signale fließen nur "vorwärts", der Wirkungsablauf ist offen. Das Programm kann ein Zeitplan (z.B. fixe Ampelsteuerung) oder ein Wegplan (numerische Steuerung von Werkzeugmaschinen) sein.
· Verknüpfungssteuerung:
Alle Signale sind binär, auch die Steuergrößen (allenfalls mehrwertig). Die Eingangs- und Ausgangsgrößen sind logisch miteinander verknüpft. Der Wirkungsablauf ist offen.
· Ablaufsteuerung:
Die Steuergrößen (Prozessgrößen) sind analog. Gesteuert werden i.d.R. ereignisdiskrete Teilprozesse: Das Erreichen eines Schwellwertes (Ereignis) einer analogen Prozessgröße wird zurückgemeldet, worauf erst die binäre Stellgröße für den nächsten Teilprozess auf Eins gestellt, der Ablauf fortgesetzt wird (Anmerkung 4).

Eine gewisse, aus der Not geborene Willkür ist dieser Gliederung anzusehen. Zum Beispiel ist der Begriff Verknüpfungssteuerung befremdlich, finden doch Verknüpfungen in jeder Steuerung statt, wobei wiederum auch rückgemeldete Signale erfasst werden können. Als unbefriedigender Verlegenheits-Text könnte übrigens auch die gegenwärtige Definition in der DIN-Richtlinie gesehen werden.

Folge

Die Folge kann sein, dass ich den einschlägigen Wikipedia-Artikel gelegentlich umfassend überarbeite, es somit nochmals eine von mir editierte (höchstwahrscheinlich wiederum kurzlebige, wie in WP üblich) Fassung geben wird.

12.7.15: Überarbeitete Einleitung des Artikels

Literatur

[1] Hans-Joachim Zander: Steuerung ereignis-diskreter Prozesse, Springer, 2014
[2] Lothar Litz: Grundlagen der Automatisierungstechnik, Oldenbourg, 2005

Anmerkungen

Anmerklung 1:
Eine Steuerkette mit durchgehend analogen Signalen repräsentiert eine der wenigen aus sehr vielen Ausführungen von Steuerungen abstrahierbaren Art (analoge bzw. stetige Steuerung, s. später). Sie lässt sich als geöffneter Kreis einer Folge-Regelung mit proportionalen Übertragungsgliedern denken: Die Regel- >> Steuergröße folgt der Veränderung der Eingangsgröße.

Anmerkung 2:
Unter wenig komplexen oder einfachen Steuerungen verstehe ich solche, bei denen im Minimum einer einzigen Eingangs- eine einzige Ausgangsgröße folgt, und die seit langem und selbstverständlich im Gebrauch waren: z.B. das Ein- und Ausschalten einer Glühlampe mit einem elektrischen Schalter.

Anmerkung 3:
Mit Hilfe der Boolschen Algebra und einem systematischen elektrischen Schaltplan (Verknüpfung der als Steuerelemente verwendeten Relais') konnte ich in der vorher unsystematisch entworfenen Steuerung den Wirkungsablauf endlich überschaubar machen. Einige Elemente und Verknüpfungen erwiesen sich als unnötig und konnten entfallen.

Anmerkung 4:
Durch die Rückmeldung wird das i.d.R. zeitverzögerte Erreichen eines bestimmten Wertes (Schwellwert) der Prozessgröße überwacht und die Zeitverzögerung abgewartet. Eine Rückmeldung, dass das Umschalten einer binären Prozessgröße aufgrund des Umschaltens der binären Stellgröße erfolgt ist, entfällt i.d.R. Solche Maßnahmen sind nicht zu trennen von der Funktionskontrolle der Steuerelemente (Hardware). In der von mir überarbeiteten Zentrifugenbedienungsautomatik gab es solche. Ich entfernte sie damals (Anmerkung 3), weil solche Rückmeldungen zu vermehrter hardware und damit zu größerer Wahrscheinlichkeit für deren Ausfall führt. Es war damals gelegentlich tatsächlich so, dass solche hardware-Ausfälle (Überwachung der Überwachung) die Zentrifuge stillsetzten, ohne dass ein gefährliches Ereignis eingetreten war oder eine Fehlbedienung vorlag.

LogoSW Siegfried Wetzel, CH 3400 Burgdorf, Juli 2015

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