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Zeitgleichung: geometrische Ursachen
ihre Wirkung (insbesondere der zweiten Ursache) in einem Modell gezeigt

Zusammenfassung

Das mit der Zeitgleichung beschriebene übers Jahr veränderliche "Vor- bzw. Nachgehen" der am Lauf der Sonne orientierten Uhrzeit im Vergleich zur prinzipiell gleichmässig vergehenden Zeit hat zwei geometrische Ursachen. Die Wirkung der elliptischen Bahnfahrt der Erde um die Sonne (1. Ursache) ist leicht verständlich, nicht aber die der Neigung der Erdachse auf der Bahnebene in Verbindung mit deren im Weltraum fixen Richtung (2. Ursache). Zum leichteren Verständnis im Wesentlichen der Wirkung der 2. Ursache wird ein drehbarer Ring, der den Ortsmeridian des irdischen Beobachters nachbildet, benutzt.

Inhalt

1. Einleitung
2. Sternen- und Sonnentag
3. Erste Zeitgleichungsursache
4. Zweite Zeitgleichungsursache
5. Drehbarer Ring für Experimente
6. Experimente zur ersten Zeitgleichungsursache
7. Experimente zur zweiten Zeitgleichungsursache
8. Resumè

1. Einleitung

Die sehr gleichmäßige Drehung der Erde um sich selbst und deren ungleichmäßig schnelle Fahrt um die Sonne sind die im Zusammenhang mit der Zeitgleichung interessierenden "zeitmachenden"*) Effekte. Dass die Erdachse bei dieser Fahrt ihre Richtung im Weltraum beibehält, ist bezüglich der Wirkung nur ein Detail, aber ein wichtiges (und nicht leicht zu durchschauendes = zweite Zeitgleichungs-Ursache).
*) Im Allgemeinen sind damit Erscheinungen gemeint, durch deren Beobachtung (und Messung) wir das Vergehen der Zeit erleben.

Die aufeinander folgenden Sonnentage sind nicht gleich lang. Die Abweichung von einem mittleren Sonnentag kann bis etwa ± 30 Sekunden betragen, was sich bei der Anzeige der Sonnenuhr zu einem in der sogenannten Zeitgleichung enthaltenen "Vor-/Nachgehen" bis ± 15 Minuten kummuliert.

Von den beiden Ursachen
  -- 1. der Erdlauf um die Sonne findet auf elliptischer Bahn statt --
  -- 2. die Richtung der Erdachse ist auf der Erdbahn nicht senkrecht und gleichzeitig im Weltraum fix --
ist die erste in ihrer Wirkung leicht verständlich und merkbar, die zweite aber nicht.

Wegen der mit der zweiten Ursache verbundenen Kompliziertheit ziehen wir uns gerne auf die erste Ursache zurück, wenn wir über die Zeitgleichung sprechen, obwohl die zweite Ursache an der Wirkung den wesentlich größeren Anteil hat:
  Tageslängenschwankungsanteil maximal ca. ± 20 Sekunden gegenüber ca. ± 8 Sekunden (2,5 : 1),
  Zeitgleichungsanteil maximal ca. ±9,83 Minuten gegenüber ca. ± 7,65 Minuten (1,3 : 1).
Die folgende Abhandlung ist ein Versuch, auch die Wirkung der zweiten Zeitgleichungsursache gesprächs-geeignet zu machen.

Am Beginn wird auf die Problematik insgesamt näher eingegangen, wobei die Wirkung der elliptischen Bahnfahrt wegen ihrer bekannten Einfachheit nur gestreift wird. Anschließend werden die Experimente mit dem drehbaren Ring beschrieben, wobei das einfache, auf die elliptische Bahnfahrt reduzierte der Vollständigkeit wegen dazugehört.

2. Sternen- und Sonnentag

<< Abb.1  Sternen- und Sonnentag

Wenn sich die Erde um 360 ° um ihre eigene Achse gedreht hat, ist ein Sternentag vergangen, d.h. dass die Sterne wieder in gleicher Richtung im Weltraum zu sehen sind. Weil die Erde aber in gleicher Zeit auf ihrer Bahn um die Sonne ein kleines Stück vorangekommen ist, sieht man die Sonne noch nicht wieder in gleicher Richtung, genauer: noch nicht wieder mittags im vom Südpunkt des Horizontes aufsteigenden Meridiankreis. Dafür muss sich die Erde noch ein kleineres Stück ("Mehrdreh" ω) weiter drehen (und bis zum Bahpunkt w fahren). Der Sternentag ist konstant etwa 23 Stunden und 56 Minuten lang.)* Der Mehrdreh der Erde bis zur Vollendung des Sonnentags dauert aber nur im Jahresmittel konstant etwa 4 Minuten. Der Sonnentag ist somit nur im Jahresmittel 24 Stunden lang.
*) Der bequeme, weil konstante Sternentag ist die von den Astronomen benutzte und in kleinere Einheiten (z.B. 24 Sternenstunden) unterteilte
   Zeiteinheit. Im Allgemeinen ist der Sternentag keine brauchbare Zeiteinheit, denn das Leben in Natur und Gesellschaft ist durch die Sonne und
   durch den von ihr vorgegebenen Sonnentag bestimmt. Anfang und Ende des Sternentages wandern einmal im Jahr durch den Sonnentag.

Der Bahnwinkel w ist wegen der unterschiedlichen Geschwindigkeit der Erde beim elliptischen Umrunden der Sonne nicht konstant.   >>>   erste Ursache der Zeitgleichungviertel.
Der Mehrdreh ω um die Erdachse ist wegen deren Neigung auf der Erdbahnebene und deren im Weltraum fixen Richtung nicht proportional zum Bahnwinkel w   >>>   zweite Ursache der Zeitgleichung.

3. Erste Zeitgleichungsursache

<< Abb.2  Zweites Keplersches Gesetz
                 am Beispiel Erde um Sonne
                 >>>   Erste Zeitgleichungsursache

Nach dem zweiten Keplerschen Gesetz überstreicht der Fahrstrahl eines Himmelskörpers beim Umrunden eines Zentralkörpers in gleichen Zeiteinheiten gleich große Flächen. Bei elliptischer Bahn ist der Abstand L (s. Abb.2: die Erde umrundet die Sonne) vom Zentralkörper variabel, was durch variablen Bahnwinkel w kompensiert wird.

Im Perihel (Anfang Januar, P) ist der Abstand L am kleinsten und ohne Beachtung der zweiten Zeitgleichungs- ursache der Bahnwinkel w am größten und der Sonnentag am längsten. Im Aphel (Anfang Juli, A) ist es umgekehrt.

4. Zweite Zeitgleichungsursache

<< Abb.2a  Neigung der Erdachse auf der Erdbahn mit
                  im Weltraum fixer Richtung
                  >>>   Zweite Zeitgleichungsursache

Die Richtung der Erdachse ändert sich übers Jahr im Weltraum nicht (in Abb.2a ist das obere Ende der Erdachse (Nordpol) immer nach rechts oben und das untere Ende immer nach unten links zeigend).

Von der Sonne aus gesehen taumelt sie während des Jahres (360°/Jahr). Ein bestimmter, immer gleicher Drehwinkel ω der Erdeigendrehung wird vom Beobachter auf der Sonne nicht immer als gleicher Winkel w in der Erdbahnebene (Ekliptik) gesehen. w ist während zweier Jahresviertel kleiner als ω (am Sommer- und Winteranfang am kleinsten; ein Ende der Erdachse wird sich einem auschließlich zuneigend gesehen, s. Abb.3), während der je dazwischen liegenden anderen beiden Jahresviertel größer (am Frühlings- und Herbstanfang am größten; Erdachse wird ausschließlich quer geneigt gesehen, s. Abb.4).


Abb.n 3 und 4  Ansicht der Erde von der Sonne aus
                        Abb.3: Sommeranfang; Abb.4: Frühlingsanfang

Die Abbildungen 3 und 4 stammen aus einer älteren Arbeit von mir (Die Physik der Sonnenuhr, Abb. 13).)* Umgekehrt zu oben Gesagtem ist der Winkel w von der Bahnfahrt vorgegeben, und der davon abhängige Winkel ω der Erddrehung wird gefunden.
)* Ähnliche Abbildungen habe ich später im Zusammenhang mit quantitativen Herleitungen noch einmal angefertigt
   (Die Zeitgleichung, elementar behandelt, Abb.2; die hier gezeigten Abb.n 1 und 2 sind von dort übernommen).

Zu z.B. w = 1° (ein Wert des gemäß erster Zeitgleichungsursache variablen Bahnwinkels in etwa wahrer Größe) gehören
ω ≈ 1° 5' (Sommer- und Winteranfang) bzw. ω ≈ 55' (Frühlings- und Herbstanfang).
Dass im einen Fall ω > w, im anderen Fall ω < w sein muss, ist auch ohne angeschriebene Werte leicht ersichtlich: Stücke von Aäquator- und Ekliptik-Großkreisen zwischen zwei Stellungen des Meridian-Großkreises.

5. Drehbarer Ring für Experimente

Erklärtes Ziel der vorliegenden Arbeit ist, zu leichterem Gewinn und nachhaltigerer Erinnerung dieser Erkenntnis durch Verdrehen eines Rings (Abb.n 5 u.6) zwischen zwei Stellungen beizutragen. Die folgenden Abbildungen sind Fotos aus einem Experimental-Vortrag. Der Leser möge sich selbst einen solchen um eine in seiner Ebene liegende Achse drehbaren Ring anfertigen und die Experimente wiederholen.

Abb.n 5 und 6  Drehbarer Ring für Experimente, in zwei Ansichten ("streifende" Ansicht in Abb.6)
                        a) für irdischen Beobachter: vom Südpunkt des Horizonts aufsteigender Meridian
                        b) für Beobachter auf der Sonne: Längengrad des irdischen Beobachters

Der Ring wird so auf dem Rednerpult platziert, dass ihn in einer Reihe hintereinander sitzende Zuseher streifend sehen. Dann wird er parallel zur Ausgangslage von den Zusehern aus gesehen nach links verschoben (die dem Sternentag entsprechende 360°-Drehung kann unterbleiben, da keine neue Ansicht daraus resultiert). Die Zuseher können nun durch den Ring hindurchsehen. Anschließend wird der Ring so um seine Achse gedreht, dass ihn ein in der Reihe bestimmter Zuseher wieder streifend sieht. Dieser repräsentiert den auf der Sonne befindlichen Beobachter und hat zwischen seinen beiden Blickrichtungen den Winkel w. Die Längenmasse der seitlichen Verschiebungen und der Distanz zum bestimmten Zuseher sind so gewählt dass w jeweils einen glatten Zahlenwert hat (Überhöhung gegennüber Wirklichkeit 10- bzw. 20-fach).

6. Experimente zur ersten Zeitgleichungsursache

Die erste Zeitgleichungsursache ist unabhängig von der zweiten. Um die zweite Ursache auszuschalten wird der Ring mit senkrechter Achse aufgestellt (die Erdachse stehe senkrecht auf der Erdbahnebene).

                                              Abb.n 7 bis 9  ωw ≈ 10°


                                              Abb.n 10 bis 12  ωw ≈ 20°

Abb.6:           die streifend gesehene Ausgangslage,
Abb.n 7 u.10: zwei zur Ausgangslage parallele Lagen,
Abb.n 8 u.11: zwei streifend gesehene Lagen nach dem Drehen des Rings um seine Achse,
Abb.n 9 u.12: Anzeige von zwei Drehwinkeln ω.

Die beiden Bildreihen gelten für zwei Experimente. Die seitlich Verschiebung ist im zweiten Experiment doppelt so groß wie im ersten:
z.B. 1 m gegenüber ½ m bei 2,75 m Distanz zum bestimmten Zuseher.
Die Kontrollrechnungen
tan 10° ≈ sin 10° ≈ ½ / 2,75 und
tan 20° ≈ sin 20° ≈ 1 / 2,75
bestätigen das erwartete Ergebnis: ω = w (ohne Überhöhung gilt das Gleichheitszeichen nahezu exakt).

7. Experimente zur zweiten Zeitgleichungsursache

Es werden zwei vergleichende Eperimente für die Abhängigkeit des Mehrdrehs ω von der Richtung der Erdachse relativ zur Achse der Erdbahn gemacht:
a) am Tag des Sommeranfangs (s.Abb.3 und Abb.n 13 bis 16),
b) am Tag des Frühlingsanfangs (s.Abb.4 und Abb.n 17 bis 20).

Um den Vergleich der Experimente unabhängig von der Wirkung der ersten Zeitgleichungsursache zu machen, ist in beiden Experimenten die gleich große Querverschiebung (½ m, w ≈ 10°) gewählt (obwohl die tägliche Bahnfahrt an den beiden betrachteten Tagen in Realität nicht gleich groß ist).

Abb.n 13 bis 16  Tag des Sommeranfangs, Nordpol ist
                          dem Beobachter zugeneigt

Abb.13: die streifend gesehene Ausgangslage
Abb.14: zur Ausgangslage parallele Lage,
Abb.15: streifend gesehene Lage nach dem Drehen des
             Rings um seine Achse,
Abb.16: Anzeige des Drehwinkels ω.

Ergebnis: w ≈ 10°, ω ≈ 15°   >>>   ω > w.






Abb.n 17 bis 20  Tag des Frühlingsamnfangs,
                          Erdachse ist quer geneigt

Abb.17: die streifend gesehene Ausgangslage
Abb.18: zur Ausgangslage parallele Lage,
Abb.19: streifend gesehene Lage nach dem Drehen des
             Rings um seine Achse,
Abb.20: Anzeige des Drehwinkels ω.

Ergebnis: w ≈ 10°, ω ≈ 6°   >>>   ω < w.






8. Resumè

Die bei der Bahnfahrt der Erde um die Sonne wegen der Bahnellipse täglich variabel große Etappe (erste Zeitgleichungsursache) drückt sich nicht 1 : 1 im über 360° hinausgehenden Mehrdreh der Erde um sich selbst aus. Der Mehrdreh wird infolge der auf der Bahnebene geneigten, aber im Weltraum fixen Erdachsrichtung (zweite Zeitgleichungsursache) in zwei Jahrvierteln vergrößert, in den anderen zwei verkleinert. Vor allem kann diese Veränderung mit Hilfe vorgeschlagener Experimente leichter erkannt, verstanden und im Gedächtnis behalten werden als bei ausschließlich geometrischer Gedankenarbeit.

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Siegfried Wetzel, CH 3400 Burgdorf, Oktober 2016

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