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Ein Verkehrsbauwerk von 1830
Inhalt
1. Einleitung
2. Die Stalden-Correktion
2.1 Eine alte Darstellung nach der Correktion
2.2 Der alte Entwurf für die Correktion
3. Die abgegrabene Hohengassse
4. Anmerkung und Literatur
In meiner Wohnstadt Burgdorf/Bern befindet sich ein Straßenstück, das sich nach einer ¾-Wendung über eine Brücke hinweg selbst quert
(Abb.n 1 und 2).
In Berner Mundart heißt es dr Schnäck (der/die Schneck/e), der
1829/30 als nördliche Zufahrt in die Alt- bzw. Oberstadt von Burgdorf als Ersatz für ein kurzes, sehr steiles Straßenstück,
eines Staldens gebaut wurde.
Abb.1 "dr Schnäck" in Burgdorf/Bern
Eine Straße führt unter einer Brücke hindurch und nach einer 3/4-Rechtswende über diese Brücke hinweg
von der Unterstadt in die Oberstadt.
Abb.2 Stadtplan von Burgdorf (Ausschnitt)
Schnäck im Chileport (Kirchen-Bord, Hang bei der Kirche) zwischen Unter- und
Oberstadt.
Brücke und alter Stalden (rot) nachgezeichnet.
Oberstadt zwischen Schloß (#56) und Stadtkirche (#72).
Quelle: www.yellowcities.ch; Stadtplan 1: 3 600 Burgdof.
Die Steigung des alten Staldens betrug bis 14%, was viele Reisende von einem
Besuch in Burgdorf abschreckte, und zu einer anderen Routenwahl veranlasste. Die Alte Kantonsstraße zwischen Bern und Langenthal war schließlich
an Burgdorf vorbei über Kirchberg gebaut worden.
Ursprünglich war dieses "Übel" noch schlimmer, der Stalden noch steiler. Schon während der vorangehenden Jahrhunderte wurde die Steigung
schrittweise verkleinert, indem
die anschließende Straße (Hohengasse) innerhalb des Stadttores (und das Stadttor) abgesenkt wurde (Schweizer, Seite 308). Sie wurde
zu einer immer steileren
Rampe ausgebaut und übernahm somit einen Teil des Anstiegs über etwa 20 Höhenmeter zwischen Unter- und Oberstadt (zwischen Mühle-Bach in der Metzgergasse
und Kronenplatz). Den Anstoß zur Stalden-Correktion gaben schließlich Pläne der Berner Postverwaltung, eine Postlinie zwischen Bern und Aarau über Burgdorf einzurichten.
(Widmann)
Schweizer, Seite 366- 368: DER STALDEN UND SEINE KORREKTION
2.1 Eine alte Darstellung nach der Correktion ↑ Inhaltsverzeichnis
Durch den Umbau zum Schnäck wurde der Stalden (Begriff blieb im Namen Staldenstraße für den gesamten Schnäck von Brücke zu Brücke erhalten)
auf etwa die 2½-fache Länge mit Steigung 5% verlängert (Abb.n 3 und 4).
Seitdem ist die Hohengasse das steilste Wegstück (ewta 8%) vom Norden her in die Oberstadt hinein.
Abb.3 Plan und Profile der in den Jahren 1829 & 1830 ausgeführten Stalden-Correktion in Burgdorf (Ausschnitt)
Situation etwa 1830: Schnäck fertig, aber Gestaltung der Umgebung im Chileport (Wege u. Bäume) nur geplant.
Lithographie von H.- R. Theodor, Burgdorf, etwa 1830
Quelle:
Burgerarchiv Burgdorf
Abb.4 Längen-Profile des alten und neuen Staldens von a' bis r, vergrößerter Ausschnitt aus Abb.3.
In Abb.4 ist auch zu erkennen, dass der Schnäck ein wenig höher an die Hohengasse anschließt als der alte Stalden.
Die Hohengasse konnte ab dieser Stelle (a' in Abb.3) wieder etwas erhöht werden
In der folgenden Abbildung (Abb.5) habe ich einige Detail-Informationen vom Rand des in Abb.3 zitierten Planes
und eine Vergrößerung aus dem Planinneren zusammen gefasst. Diese Informationen können die folgenden, mehrheitlich an Hand eines weiteren
alten Planes angestellten Überlegungen zusätzlich unterstützen.
Abb.5 Einzelheiten aus dem in Abb.3 zitierten Plan: drei Eckbilder und ein vergrößerter Planauschnitt.
oben links: Neue Brücke von unten; Haus Metzgergasse 22 (rechts vor der Brücke) noch nicht aufgestockt
(vorstehende Dachtraufe in Höhe der Brücke).
oben rechts: Altes Kloster: mittelalterlich wirkendes Konventgebäude (1823 abgebrochen; Schweizer, S.320).
unten links: über die "Insel" B (s. auch Abb.3) des Schnäcks verlaufendes Querprofil.
unten rechts: Blick auf Brücke und Umgebung, vergrößerter Planauschnitt;
Ein Stück der Klostermauer zwischen Haus l (Metzgergasse 22) und Schnäck blieb erhalten.
Lange gerade Treppe h an Stelle des am Hang abgerissenen Nebengebäudes des Oberen Spitals
(1419 als zweites Asyl gestiftet, Haupthaus war inzwischen Privathaus Metzgergasse 21 geworden
Schweizer, S.364).
Abb.6 Plan (Ausschnitt) für die Korrektur des Staldens in Burgdorf, 1828
Innerer Kurvenrand des alten Staldens nachgezogen (blau, in rot ursprünlicher Entwurf der Treppe,
die letzlich gerade ausgeführt wurde).
Quelle:
Burgerarchiv Burgdorf
Abb.6a Höhenprofil, vor 1300, Schweizer, Seite 29.
Außerhalb der (Ober)-Stadt existieren nur das
Franziskanerkloster (seit 1280; Schweizer, S.28)
und das Niedere Spital (Asyl für Arme und
Gebrechliche, seit 1287; Schweizer, S.28).
Alter Stalden mit Spitzkehre vor dem Kloster.
Die Correktion des Staldens wurde höchstwahrscheinlich nach dem in Abb.6 gezeigten Entwurf (BrouillonPlan) ausgeführt.
Er enthält alle notwendigen Höhenwerte für Abgraben bzw. Auffüllen zur Erstellung des neuen Staldens (angegeben für 9 Stellen:
Punkte 4 bis 6, x und a bis d; Werte in Abb.7).
Vom Verlauf des alten Staldens ist aber nur der innere Kurvenrand dargestellt (in Abb.6 blau nachgezogen).
Einen genaueren Eindruck gewinnt man aus Abb.5 (unten rechts) und aus Abb.6a, die auch Höhenlinien (Höhensprung 2 m) enthält.
Der alte Stalden führte entlang der späteren Metzgergasse in einen etwas steileren Einschnitt des Chileport hinein und wendete beim Kloster apprupt nach links über einen Steilhang zur (Ober)-Stadt. Der neue Stalden wurde zunächst diesem Einschnitt geradeaus weiter folgend angelegt.
Abb.7 Ein anderer Ausschnitt des in Abb. 6 zitierten Planes (Ausschnitt vertikal geteilt und übereinander gesetzt)
Ausschnitt, der die Straßen-Profile in maßstäblicher Darstellung und mit Werten für
Längen, Höhen (Abgraben/Auffüllen) und Neigungen zeigt. Längen/Höhen-Maßeinheit:
1 Berner Fuß = 0 2933 m.
Die mit diesen Werten beschriebene Topoplogie ist insbesondere am letzten Unterstadt-Haus (Abb.8), Metzgergasse.22) rechts vor der Brücke noch gut ablesbar.
Hier musste etwa 2,3 m (7,9 [oder 7 9/12 ?] Bernische Füße, Punkt 4 in Abb.7) tief gegraben werden,
und die beim fünft-letzten Haus beginnende Steigung betrug bereits 11,7% (ab der Linkswendung das Maximum des alten Staldens mit 14,1%).
Abb.8 Blick von der Stalden-Brücke in die Unterstadt
Der alte Stalden hatte etwa die Höhe des Treppenpodestes an der Hausecke Metzgergasse 22.
Abb.9 Blick durch den Tunnel mit der Hechlergasse im Haus Metzgergasse 22 und im dahinter befindlichen,
nach der Correktion errichteten Haus Staldenstraße 3.
links: Eckkante der Klosterhof-Mauer; oben: Gewölbe unter ehemaligem ersten Stockwerk, Metzgergasse 22
Das Podest an der Ecke des Hauses Metzgergasse 22 hat die Höhe des alten Staldens und ist somit identisch mit dem Anschluß des heute noch vorhandenen,
aber kaum bekannten Hechlergässchens (q in Abb.3; l ist das Haus Metzgergasse 22), eines von hinten durch das Haus führenden Fußweges von der Unterstadt hinauf zum alten Stalden .
Vom neuen Stalden aus führen 12 Stufen und eine Bordsteinhöhe auf ihn hinauf mit von mir gemessenen Höhenunterschied von 2,2 m. Die Differenz von 10 cm zum
o.g. Plan-Wert 2,3 m könnte von der nachträglichen Pflasterung des Schnäcks verursacht sein.
Die Mauer zwischen diesem vor der Correktion bestehenden Hauses und dem oberen Treppenteil ist ein Stück der Begrenzungsmauer des alten
Barfüsserklosters. Sie wurde Fundament-Teil für die nach der Correktion in Höhe des oberen Staldens errichteten Plattform, von der aus
direkter Zugang in das gleichzeitig aufgesetzte, heute dritte Stockwerk möglich wurde (das heutige erste Stockwerk war vor der Correktion Parterre).
An der Hauswand befindet sich eine Ecke der Klostermauer. Ab hier wurde die Mauer später zur Außenmauer des ehemals ersten Stockwerks im hinteren Hausteil.
Ein Stück Raum wischen alter Klostermauer und ehemaligem Parterre blieb offen für das entlang der Klostermauer verlaufende Hechlergässchen, das sich seitdem
ein Stück im Tunnel befindet (Abb.n 9 und 10).
Westlich dieses Eckhauses am Schnäck wurde später ein weiteres Haus errichtet (Staldenstraße 3). Es weist die gleichen Elemente auf wie Metzgergasse 22: ein
von einer Plattform zwischen Haus und neuer Straße direkt zugängiges Stockwerk, darunter die Hechlergasse an der alten Klostermauer und im Tunnel.
Abb.10 Ein anderer Ausschnitt des in Abb. 6 zitierten Planes
Der Schnäck im Chileport, vorwiegend im Bereich des alten Barfüsserklosters
(aufgelassen nach der Reformation).
Kloster-Mauern, -Gebäude und Haus Metzgergasse 22 nachgezogen, Hechlergässchen nachgetragen.
Weit größere Abgrabungen als in der Metzgergasse (37'000 Kubik-Fuß = 915 m3 bis unter die Brücke, Anmerkung) fanden in der
Terrasse vor dem Chileport, zu einem großen Teil im alten Klosterhof mit etwa 387'000 Kubik-Fuß (9'770 m3) Aushub statt. Abgetragen wurden auch alle
Spuren des alten Klosters: Gebäude innerhalb und außerhalb der Hofmauern und die Mauern mit Ausnahme von tief gegründeten Teilen an der Terrassenkante im Norden
(ein Stück davon war inzwischen teilweise Außenwand des Hauses Metzgergasse 22 geworden, s.o. und Abb.n 10 und 5, unten rechts).
Zu dieser Menge von total 10'665 m3 kam der Aushub für die Brücken-Fundamente hinzu. Offensichtlich war die Aushubmenge aber deutlich größer, wie das kleine
Bild links unten in den Abb.n 3 und 5 zeigt: Die "Insel" im Schnäck liegt nämlich auch tiefer als die alte Terrasse.
Erst am Rande des Klosterhofs, kurz vor der Brücke gab es eine kleine Aufschüttung (nur etwa 1'230 Kubik-Fuß = 31 m3 inkl. auf der Brücke selbst).
Nennenswerte Aufschütt-Mengen erforderte erst der Damm zwischen Brücke und Oberstadt (Stadthaus bzw. Punkt a' in Abb.n 3 und 4,
bzw. Punkt 6 in Abb.7) nämlich 64'240 Kubikfuß (1620 m3).
Hier lag man 2½ Fuß (0,73 m) über dem Niveau des alten Staldens, so dass sich die folgende Hohengasse durch Aufschütten von 4530 Kubikfuß (114 m3)
wieder etwas weniger steil machen ließ: 9,17% >> 8%.
Bevor der Stalden korrigiert wurde, versuchte man schon mehrere Jahrhunderte lang durch mehrmaliges Abgraben der Hohengasse den Anstieg
auf eine längere Strecke zu verteilen. Die Folgen der Hohengasse-Abgrabungen bestehen heute fast unverändert, denn die Staldencorrektion
beschränkte sich im wesentlichen auf den Bau des Schnäcks.
Die aus mehreren Städten im Kanton Bern bekannten Lauben wurden in der Hohengasse "zugebaut"
(einige zugängige Lauben bestehen in Burgdorf an anderen Stellen, s. z.B. Abb.n 12 und 13). Auf ihrem tiefer, bis auf Kellerniveuau gelegten Grund wurden Läden errichtet, und der Raum darüber
bis unter die Laubendecken wurde zu privaten Loggias umgewandelt.
Abb.11 Blick aus dem Kirchbühl auf die relativ steile Hohegasse, Neigung etwa 8% (mit 2 Hilfslinien angedeutet)
Alter Stalden endete links nach 4 weiteren schmalen Häusern und dem Stadthaus (obere Ecke vorne links).
Rechts zum Kronenplatz am Ende des Großen, z.T. roten Hauses am Rand im Vordergrund.
Aus den ehemals ebenerdigen Lauben wurden
Loggias über ebenerdigen Läden.
Abb.11a Ein (nicht ausgeführter) Entwurf der Stadthaus-Fassade an der Hohengasse, 1734, Schweizer, S.273)
Das Gefälle der Hohengasse ist übertrieben dargestellt, was aber zeigt, dass es schon lange vor der
Stalden-Correktion relativ groß war.
Abb.12 Spuren der Straßen-Tieferlegung: spätere untere Stufen aus anderem Material,
Großes, z.T. rotes Haus an der Hohengasse, Ecke Kirchbühl
Abb.13 Spuren der Straßen-Tieferlegung: spätere untere Stufen aus anderem Material (Treppe links vom rechten
Fahrrad)
Großes, z.T. rotes Haus am Kirchbühl, Ecke Hohengasse, s. auch Abb.12
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Diese und alle weiter genannten Kubik-Zahlen sind einem Beiblatt zum in Abb.6 zitierten Plan entnommen.
Literatur
Jürg Schweizer: Die Stadt Burgdorf. Die Kunstdenkmäler des Kantons Bern. Landband 1, 1985
Max Widmann: Der Bau der Staldenbrücke in Das Burgdorfer Jahrbuch 1935, Seite 155 ↑ zurück
Siegfried Wetzel, CH 3400 Burgdorf, April 2018
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