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Stanserhorn-Seilbahn CabriO®
- Anordnung und Bewegung der Zugseile -

Inhalt

1. Überblick
2. Pendelbahnen mit Zugseilen
3. Die Führung der Zugseile
4. Bewegung der Zugseile bei Störungen
5. Anmerkungen

1. Überblick   ↑ Anfang

<<  Abb.1  Stanserhorn-Seilbahn CabriO®
                  mit Rundumsicht von der Dachterrasse aus
                  Foto: autochunk.com

Die Kabinen der 2012 in Betrieb genommenen neuen Luftseilbahn auf das knapp 1900 Meter hohe Stanserhorn (Schweiz, Kanton Nidwalden, Abb.1) hängen nicht wie bisher meist üblich unter einem Tragseil, sondern befinden sich zwischen zwei Tragseilen, die 5 Meter Abstand voneinander haben. Auch das Zugseil wurde verdoppelt und beidseits der Kabinen platziert. Diese beiden Merkmale waren nicht neu, sie waren vom einige Jahre älteren Seilbahntyp Funifor bekannt. Noch etwas älter ist die Funitel-Seilbahn, die ebenfalls zwei Tragseile mit ähnlich großem Abstand voneinander hat, welche aber selbst umlaufen, d.h. dass Zugseile fehlen (Tragseilumlaufbahn). Durch das Fahren auf bzw. mit zwei Seilen dieses großen Abstands neigen die Kabinen bei Wind weniger dazu, seitlich zu schaukeln.



<<  Abb.2  Funifor-Seilbahn
                 kurz unter den Tragseilen aufgehängte Kabine
                 Spurweite etwa gleich wie Kabinenbreite
                  Foto: Doppelmeyr

Bei der CabriO®-Bahn war neu, dass der von Seilen befreite Raum über den Kabinen zum Aufsetzen einer den Passagieren zugänglichen Dachterrasse benutzt wurde. Damit von dort aus über die Seile hinweggehender Rundumblick möglich ist, mussten die Kabinen so hoch wie möglich angeordnet werden. Funitel- und Funifor-Kabinen hängen bereits wesentlich weniger tief unter den Tragseilen als die von traditionellen Kabinenseilbahnen. Bei der CabriO®-Bahn ist kein ausgeprägtes Gehänge (Pendelarm) mehr vorhanden. Der wirksame Pendelarm ist sehr kurz. Er reicht nur von der etwa in Höhe der Geschossdecke quer durch die Kabine verlaufenden Rotationsachse der Längs-Pendelbewegung zum wenig tiefer liegenden Kabinenschwerpunkt (am höchsten, wenn sich nur Passagiere auf der Dachterrasse aufhalten und diese voll besetzt ist). Die so kurz aufgehängte Kabine neigt zu größerem Winkelausschlag und zu schnellerem Pendeln als eine Kabine mit langem Gehänge, was bei jeder Seilstützenüberfahrt (Änderung der Fahrgeschwindigkeit und der Fahrtrichtung in vertikaler Ebene) bereits unangenehm empfunden würde. Bei der CabriO® wird dieses Schiefstellen durch hydraulische Stellkolben sehr schnell und nahezu vollständig verhindert. Sie sind Stellglieder in einem Regelkreis, der die absolute Vertikalität der Kabine bzw. Horizontalität ihrer Fußböden aufrecht erhält.

Diese Maßnahme enthält folgenden Kompromiss: Die Passagiere sind keiner Längs-Pendelbewegung mit relativ großem Ausschlagwinkel, aber allen in Fahrtrichtung auftretenden Beschleunigungen ausgesetzt. Letztere werden nicht mehr durch Pendeln gemildert. Bisher spürten die Passagiere nur vertikale und keine horizontalen Beschleunigungen.

2. Pendelbahnen mit Zugseilen  ↑ Anfang

Die CabriO®-Bahn hat wie die meisten Luftseilbahnen zwei parallele fixe Fahrbahnen, auf denen je eine Kabine - immer in Gegenrichtung zur anderen - zwischen Tal- und Bergstation hin- und herfährt (pendelt >> Pendelbahn). Die Kabinen sind über zwischen beiden Stationen umlaufende Zugseile miteinander verbunden (Anmerkung 1). Bei der CabriO®-Bahn sind es wie bei einer Funifor-Bahn zwei Zugseile.

Letztere wurde bis jetzt aber immer als Pendelbahn mit nur einer Kabine und mit nur einer Fahrbahn verwirklicht. Oftmals wurden zwei solcher Einweg-Bahnen als voneinander vollständig unabhängige Seilbahnen parallel gebaut. Die gekoppelte Führung der zwei verwendeten Zugseile musste bei der Übernahme auf die CabriO®-Bahn mit zwei auf zwei Fahrbahnen gegeneinander fahrenden Kabinen modifiziert werden.

Die Kabine einer Luftseilbahn wird mit Hilfe eines Zugseils gegen die von ihrem Gewicht stammende Hangabtriebskraft zur Bergstation hinaufgezogen bzw. von dieser herabgelassen. Das Seil muss nahe des Tragseils sein, damit das Fahrwerk nicht nach vorne (zu hohe Befestigung) oder nach hinten (zu niedrige Befestigung) gekippt wird. Bei auf zwei Tragseilen rollenden Fahrwerken könnte sich dieses Seil auch in der Mitte zwischen den Tragseilen befinden, was aber bei Funifor-Bahnen bisher nie gemacht wurde. Bei der CabriO® wurde dieser Platz durch die Kabine besetzt

3. Die Führung der Zugseile   ↑ Anfang

Jedes der beiden Zugseile der CabriO®-Bahn wird wie bei einer Funifor-Bahn für sich angetrieben. Zudem sind sie nicht fest mit der Kabine verbunden. Die unteren und oberen zusammen gehörenden Seilenden sind je miteinander zu einer unteren und einer oberen Seilschleife verknüpft und an den bergseitigen Kabinenecken über je zwei Seilrollen geführt (Abb.3). Im Unterschied zur starren Einzel-Befestigung der Seile an einer Kabine wirkt die Führung über Rollen ausgleichend, falls rechter und linker Seilstrang nicht gleich lang wären oder nicht gleich schnell angetrieben würden.

Abb.3a  CabriO®: Führung der Zugseile über an den bergseitigen Ecken der Kabine angebrachten Seilrollen
             (je Ecke zwei parallele, in der Fahrwerksebene liegende Seilrollen)

Abb.3b  CabriO®: Führung der Zugseile über an den bergseitigen Ecken der Kabine angebrachten Seilrollen
             (je Ecke zwei parallele, in der Fahrwerksebene liegende Seilrollen); Modell-Bild: www.stokys.ch

Mit dieser Bauweise ergab sich auch ein Beitrag zur Erhöhung der Betriebssicherheit: Die Seilbahn kann weiter betrieben werden, wenn eine der beiden Antriebstrommeln oder eine oder mehrere Umlenkrollen der Seile in der Tal- oder in der Bergstation ausgefallen (blockiert) sind. Die Passagiere können zu einer der Stationen oder bei Bedarf gesamthaft zur Talstation gebracht werden, bevor man die Anlage für die fällige Reparatur außer Betrieb nimmt (Anmerkung 2). Hätten die Kabinen voneinander unabhängige Zugseile (schematisch in Abb.4, links), würde das Seil mit intaktem Antrieb die Kabine außermittig ziehen/zurückhalten, was zum "Entgleisen" führen könnte. Die Seilverknüpfungen und -führungen der CabriO®-Bahn sind in Abb.4, rechts schematisch dargestellt.

Die Seilführung bei einer Funifor-Bahn erfolgt nicht über eine zweite Kabine. Es gibt nur eine Seilschleife, die zwischen je einer unteren und je einer oberen Umlenkrolle als je ein Leertrum an der Kabine vorbei geführt wird. Zu dieser einen Seilschleife findet man in Abb.4, rechts, wenn man z.B. die Kabine 2 weglässt und dort die Seilschleifen aufschneidet und die unteren (grünen) mit den oberen (roten) Seilteilen verbindet. Dann müssen nur noch die beiden entstandenen Seil-Leertrums so verlegt werden, dass sie links bzw. rechts der Kabine 1 vorbeiführen.

Abb.4  Schema der Zugseile: Draufsicht; links: Verdopplung zweier konventioneller Seilführungen; rechts: CabriO®

<<  Abb.5  Funktionsmodell der Stanserhorn-Seilbahn mit Zugseilen
                  Kabinen-Führung zwischen Leisten anstatt auf Tragseilen

Bei der CabriO®-Bahn gibt es anstatt zwei in konventioneller Art angebrachter Zugseile - inneres Zugseil und äußeres Zugseil (Abb.4, links) - ein endloses oberes Zugseil (Seilschleife) und ein endloses unteres Zugseil (Seilschleife: Gegenseil), Abb.4, rechts. Diese endlosen Zugseile sind über je ein oberes und je ein unteres Rollenpaar an die Kabinen gekoppelt (Anmerkung 3). Im normalen Betrieb drehen sich die Umlenkrollen an den Kabinen nicht (Ausnahme: Längenausgleich bei unterschiedlich kleinen Dehnungsänderungen in den Seilen, oder kleinem unterschiedlichen Seiltransport durch die beiden Antriebe; Schiefstellen der Kabinen wird durch den Längenausgleich vermieden).

4. Bewegung der Zugseile bei Störungen
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Zur Bestätigung der nicht ganz einfachen Überlegungen zu den Beweglichkeiten der Zugseile habe ich mir das in Abb.5 gezeigte Modell angefertigt. Es ist eine vereinfachte Kopie eines bekannten Modells.

Störungen, bei denen der Seilbahnbetrieb bis zum sicheren Ausstieg aller Passagiere aus beiden Kabinen möglich ist, sind:

Eine der beiden Antriebstrommeln, um die die Trums der unteren Seilschlinge geschlungen sind, ist ausgefallen
(Abb.6: XX oder XX).

2. Eine oder zwei zusammengehörende Umlenkrollen in der Tal- oder in der Bergstation sind blockiert (zusammen gehören die beiden inneren und die beiden äußeren Rollen, Anmerkung 4).

zu 1:
Der intakte Antrieb bewegt die Seilbahn mit halber Geschwindigkeit, denn er zieht die eine Kabine herunter und gibt die andere nach oben frei wie das ziehende Seil an einem einfachen Flaschenzug (eine Seilrolle). Die halb so schnellen "Flaschen" sind in diesem Fall die Kabinen mit ihren beiden in Reihe liegenden unteren Umlenkrollen, die sich drehen (Abb.6: ). Die Bewegung der oberen Seilschlinge ist nicht betroffen. Die oberen Umlenkrollen der Kabinen drehen sich nicht.

zu 2:
Wenn Umlenkrollen in der Talstation blockiert sind, ist die zugehörende Antriebstrommel still zu setzen. Ansonsten gilt das zu 1. Gesagte.
Wenn Umlenkrollen in der Bergstation blockiert sind, bewegt sich die Seilbahn mit Normal-Geschwindigkeit und die unteren Umlenkrollen an den Kabinen drehen sich nicht. Es drehen sich die oberen Umlenkrollen der Kabinen.

<<  Abb.6  Funktionsmodell der Stanserhorn-Seilbahn:
                 Bewegung der Zugseile bei Störungen
                 (Beispiel: Talstation)

5. Anmerkungen   ↑ Anfang

Anmerkung 1   ↑ zurück
Das umlaufende Zugseil besteht aus zwei Teilen, dem Oberseil und dem wegen fehlender, aus dem Kabinengewicht stammender Hangabtriebskraft i.d.R. etwas dünneren Unterseil. Beide Teile werden getrennt an je einer Kabine befestigt, und mit dieser als "Zwischenstück" zu einem Stück verbunden.

Anmerkung 2   ↑ zurück
Diese Betriebsart ist ein Teilaspekt der unter dem Marketingbegriff "Integrierte Bergung" zusammengefassten Maßnahmen zur Erhöhung der Betriebssicherheit von Seilbahnen. Wichtigste Maßnahme ist aber die Ausrüstung mit Reserve-Antriebsmotor/en.

Anmerkung 3   ↑ zurück
Die Zugseile sind wie bei einem Flaschenzug durch die "Flasche" (Kabinen-Fahrwerk) geführt. Anstatt nur eine Rolle pro "Flasche" lenken zwei kurz hintereinander liegende Rollen das Seil um.
Um den Blick ins Tal aus den unteren Etagen der Kabinen nicht zu beeinträchtigen, sind die Umlenkrollen für die untere Seilschleife in Wirklichkeit zusammen mit denen für die obere Seilschleife an den bergseitigen Ecken der Kabinen angebracht (Abb.3, die untere Seilschleife ist entsprechend länger).

Anmerkung 4   ↑ zurück
In der Talstation ist die Zahl de tatsächlich Zehn, in der Bergstation infolge Umlenkung zu und von Spanngewichten Zwölf. Statt zwei sind es je fünf bzw. sechs Rollen, die alle gleichzeitig blockiert sein dürfen.

LogoSW Siegfried Wetzel, CH 3400 Burgdorf, Oktober 2013 (Oktober 2017)

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