<< Home Links und rechts drehende Sonnen- und Mond-Zeiger auf astronomischen Uhren(Chronométrophilia, No 55, Winter 2003) ZusammenfassungBei Astrolabiums-Uhren drehen alle Himmelskörper im Uhrzeigersinn. Das entspricht der Beobachtung des Himmels mit Blick nach Süden. Auf später folgenden Kunstuhren bleiben die Sterne unbeweglich (fixer Tierkreis auf Zifferblatt). Sonnen- und Mond-Zeiger drehen hier im Gegen-Uhrzeigersinn, was ihrer tatsächlichen Bewegung relativ zum Tierkreis entspricht. Bemerkenswerterweise kommt es bei den weiterentwickelten Kunstuhren immer weniger auf Anschaulichkeit an. So werden u.a. die Zeiger rigoros "gleichgeschaltet", d.h. ihre Drehrichtung auf den Uhrzeigersinn vereinheitlicht. Dafür wird der schon feste Tierkreis gespiegelt. Weiterer Trend ist, alle Anzeigen getrennt voneinander vorzunehmen, also auch Sonnen- und Mondzeiger über je einen eigenen Tierkreis drehen zu lassen. Inhalt1. Einleitung2. Der "angehaltene" Tierkreis 3. Die Beschränkung auf den Uhrzeigersinn 4. Sonnen- und Mondzeiger auf getrennten Zifferblättern 5. Literatur und Bildnachweise 6. Anmerkungen 1. Einleitung ↑ AnfangJ. Altermatt [1] stellt in einem Beitrag zur Tischuhr (Abb.1) aus dem Aarhof in Solothurn fest, dass die beiden Zeiger dieser Uhr, die die Stellung der Sonne und des Mondes im Tierkreis angeben, in einem früheren Zeitpunkt im Gegenuhrzeigersinn gedreht haben müssen. An ihrem Vorbild, der astronomischen Uhr (Abb.2) am Solothurner Zeitglocken-Turm, drehen diese Zeiger noch heute links herum. Bevor man sich fragen kann, warum bei der Aarhof-Uhr lange nach ihrer Herstellung auf rechts umgestellt wurde, soll der Frage nachgegangen werden, was zu linksdrehenden Zeigern führte. Erst dann folgen Überlegungen für Gründe zur Umstellung auf Uhrzeigersinn.
Abb.1 Astronomische Aarhof-Tischuhr (Historisches Museum Blumenstein Solothurn) [2], Tageszeit 6¾Uhr 2. Der "angehaltene" Tierkreis ↑ AnfangDie Zeitglocken-Uhr in Solothurn (Abb.2) ist wenig jünger als die in Bern (Abb.3). Dennoch wurde bereits in Solothurn eine Uhr geschaffen, bei der man, wie es bei astronomischen Kunstuhren der Neuzeit üblich wurde, einzelne astronomische Tatsachen abstrakt darstellte und die Abstraktionen umfassenderen und anschaulichen Nachbildungen des Himmelsgeschehens vorzog [6]. Die Berner "Zyzglogge"-Uhr ist ein vorzügliches Beispiel für die anschaulichen Astrolabiums-Uhren des späten Mittelalters (Anmerkung 1). Die Bilder auf dem Tierkreis folgen sich links herum fortlaufend, sowohl hier, als auch in Solothurn. In Solothurn ist der Tierkreis fest, in Bern ist er ein sich rechts herum drehender Ring analog des sich über dem Süd-Horizont drehenden Himmels. Dem ebenfalls rechts drehenden Sonnenzeiger (hier mit dem Stundenzeiger identisch) eilt er wie die Sterne der Sonne täglich etwa 1° (etwa 4 Zeit-Minuten) voraus. Umgekehrt gesprochen: Der Sonnenzeiger bleibt zurück, relativ zum Tierkreis dreht er links. In Solothurn ist der Tierkreis "angehalten" (als ob die Erde keine Eigendrehung mehr hätte). Der Sonnenzeiger durchwandert ihn folglich, indem er absolut links dreht. Zunächst ist festzustellen, dass der technische Aufwand in Solothurn nicht kleiner geworden ist. Beide Uhren brauchen das anspruchsvolle Getriebe für die ein ganzes Jahr dauernde Wanderung des Sonnenzeigers durch den Tierkreis. Die Zahl der drehenden Anzeigen ist gleich, denn anstatt des drehenden Tierkreises braucht es in Solothurn einen separaten Sonnenzeiger, dessen Aufgabe in Bern vom Stundenzeiger mit erledigt wird.
Abb.2 Astronomische Uhr am Solothurner Zeitglocken-Turm [4], Tageszeit etwa 10¼Uhr (rechts-drehender Zeiger) Statt technischer scheint es also formale Gründe für den "angehaltenen" Tierkreis in Solothurn gegeben zu haben. Eine Astrolabiums-Uhr hilft dem interessierten Betrachter, den Himmel zu verstehen. Aber nicht alle Menschen wollen die nötige Mühe, die zum Verstehen führt, aufbringen. Als in der Neuzeit immer mehr sehr anspruchsvolle astronomische Kunstuhren entstanden, wurden diese sehr gern aufgenommen, mussten aber "benutzerfreundlicher" als die Vorgänger sein. Das hieß damals schon (wie es heute geradezu selbstverständlich ist), dass nur das Einzel-Ergebnis, nicht aber der oft anstrengende Weg zu ihm anzugeben ist. Die Solothurner Uhr sollte zwar das momentan gültige Tierkreiszeichen benennen, brauchte aber den Zusammenhang mit dem Sternenhimmel nicht mehr herstellen (Anmerkung 2). Dass nun die Tierkreiszeichen ihren festen Platz auf dem Zifferblatt hatten, erhöhte die so gewollte Benutzerfreundlichkeit. Für viele von uns ist es heute auch selbstverständlich, dass unser Horoskop seinen gewohnten festen Platz unter den anderen elf Horoskopen in der Zeitung hat. Bei der Berner "Zytglogge" ist jedes Tierkreiszeichen dauernd auf Wanderschaft, genauso wie das zugehörende Sternbild. Wir brauchen mehr als einen Blick, um ein Tierkreiszeichen zu erfassen. Ein Sternbild am Himmel zu finden, ist noch mühevoller, leider.
Abb.3 Astronomische Uhr am Berner Zeitglocken-Turm [5], Tageszeit etwa 10¼Uhr, Datum 8.Juni (Heumonat) 3. Die Beschränkung auf den Uhrzeigersinn ↑ AnfangDass nun bei der Aarhof-Uhr noch der linke Drehsinn des Sonnenzeigers zum rechten gemacht wurde, war eine logische Folge. Es gibt weniger Verwechslungen, wenn alle Zeiger den gleichen Drehsinn haben. Die sehr langsame Drehung des Sonnenzeigers ist ja kaum zu bemerken, weshalb man verwechseln könnte, in welcher Reihenfolge die Tierkreiszeichen aufeinander folgen. Da kaum danach gefragt wird, in welcher Richtung die Sonne vor dem Sternenhimmel tatsächlich läuft, darf der nur formal gebrauchte Tierkreisring der Aarhof-Uhr nun auch in umgekehrter Richtung - also im Uhrzeigersinn - fortschreiten, d.h. spiegelverkehrt sein. Alle bisher für den Sonnenzeiger gemachten Aussagen gelten analog für den Mondzeiger. Er dreht in gleicher Richtung, nur etwa 12 mal schneller. 4. Sonnen- und Mondzeiger auf getrennten Zifferblättern ↑ AnfangSpätere astronomische Kunstuhren sind nochmals verwechslungssicherer, indem die verschiedenen Anzeigen weitestgehend voneinander getrennt vorgenommen werden. Als Beispiel sei die letzte Version der astronomischen Uhr im Straßburger Münster oder eine Standuhr (Abb.4) von Phillip Mathäus Hahn genannt. Hahn hat auf dieser Uhr Sonnen- und Mondzeiger nicht nur getrennt von den Zeit-Zeigern angeordnet (oben rechts und links, außen, Anmerkung 3). Der Drehsinn ist auch immer der rechte. Die Uhr entstand 1775, also im Zeitraum, in dem die Aarhof-Uhr vermutlich von links auf rechts umgestellt wurde (1790). Der auch der bei der Aarhof- Uhr vorhandene, aber zentral platzierte Wochentags-Zeiger hat hier ein getrenntes Zifferblatt gefunden (unten rechts). Sogar Stunden- und Minuten-Zeiger sind voneinander getrennt, wobei für die jetzt ziemlich hohe Minuten-Genauigkeit stolz ein großes Zifferblatt in der Mitte verwendet wird. Die an den Rand gedrängte Stundenanzeige (unten links) ist zur "Halben Uhr" geworden (der astronomische 24-Stunden-Rhythmus findet keine Beachtung mehr). Abb.4 Boden-Standuhr von Phillip Mathäus Hahn (Historisches Museum Basel) [7] 5. Literatur und Bildnachweise ↑ Anfang
[1] J.Altermatt: Nachträglich gewonnene Erkenntnisse zur astronomischen Aarhof-Uhr von 1609 6. Anmerkungen ↑ Anfang
Anmerkung 1:
↑ zurück Siegfried Wetzel, CH 3400 Burgdorf, Oktober 2010 |