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Die Datumsskalen auf der Meridiana in Triest
Siehe auch: Die Meridiana im "Effizio di Borsa" von Triest von Paolo Albéri-Auber [1].
Allgemeines zu einer Meridiana siehe unter Mittagsweiser.
Zusammenfassung
Eine Besonderheit der Meridiana von Triest ist die Anzeige der Kalendertage, deren kleine periodische Verschiebung im vierjährigen Schaltjahr-Rhythmus durch Ablesen auf die Meridiana schräg schneidenden Skalenstrichen beachtet wird. Die Lösung mit schrägen Skalenstrichen ist für eine Schaltjahrperiode richtig. Die Anzeige des Kalenderdatums hat aber schon nach etwa einem Jahrhundert einen systematischen Fehler, der größer ist als die über eine Schaltjahrperiode bestehende Anzeigedifferenz. Ursache ist, dass die Konstruktion der Meridiana auf der Länge des Sonnenjahres von genau 365¼ Tagen wie im zur Zeit ihrer Erstellung schon lange nicht mehr benutzten Julianischen Kalender beruht.
Die Fortführung der Skalierung über den 28. Februar wegen des eingefügten Tags in Schaltjahren hinaus bedurfte eines in der oben zitierten Arbeit [1] angegebenen Vorschlages zur Korrektur der entsprechenden Stelle auf der Triester Meridiana. Der auf eine Gebrauchsanweisung reduzierten Beschreibung der generell nach dem 28. Februar geänderten Kodierung der schrägen Skalenstriche mit den vier Jahren einer Schaltjahrperiode stelle ich einen leichter zu merkenden, einzigen selbsterklärenden Begriff gegenüber.
Die stetige Abstandsänderung der Skalenstriche und deren Neigung sind deutlich unterschiedlich ausgeführt. Diese zufälligen Fehler wären aber nur z.T. damit erklärbar, dass das Meridiana-Mosaik (alle Skalenlinien sind Kanten von Mosaik-Plättchen) in den 1970er Jahren [2] auf erhöhtem Boden in sich ungenau neu verlegt worden wäre. Je zwei Skalenstriche sind gegenüberliegende Kanten eines rhomboid-förmigen Plättchens. Die Breite dieser Plättchen, die die besondere Ästhetik der auch als Ornament zu verstehenden Triester Meridiana ausmachen und unverändert blieben, ist fehlerhaft. Bei der Verlegung wurde das die Sonne abbildende Loch in der Wand nicht mit verschoben, wodurch alle Anzeigen - außer der des Momentes des wahren Mittags - völlig wertlos wurden. Das ist ein Indiz dafür, dass spätestens seit dieser Zeit der ornamentale Wert der Meridiana im Vordergrund steht.
Inhalt
1. Eine Besonderheit der Meridiana von Triest
2. "Das Problem der Schalttage"
3. Skalenlinien als Kanten von Flächen oder als dünne Striche
4. Literatur
5. Anmerkungen
Abb.1 5 Minuten vor 12 (wahrer Mittag) am 20. September in etwa einem 2. Gemeinjahres nach einem Schaltjahr
(Anmerkung 1)
Abb.2 Überlegungen zur periodischen Verschiebung eines
Gregorianischen Kalenderdatums innerhalb des
astronomischen Jahres (Sonnenjahr)
1. Eine Besonderheit der Meridiana
von Triest ↑ zurück
Die Meridiana in Triest enthält neben einer mittleren Skala zwei seitliche Skalen für die Anzeige des Kalendertags (Abb.1). Auf der Mittelskala wird wie schon in der Antike üblich (z.B. auf dem alten römischen Meridian auf dem Marsfeld in Rom [3]) der Ort der Sonne im Tierkreis dargestellt. Die 30-Grad-Einteilung jedes der zwölf Tierkreisteichen auf dem Mittelband ist in Abb.1 zu sehen: Wert 30 für Fische (von unten nach oben, vor Steinbock) und für Jungfrau (von oben nach unten, vor Waage). Dass die Anzeige des Kalenderdatums mit Hilfe der Sonne mit einem einfachen Instrument wie einem Meridian auf den Tag genau über viele Jahre prinzipiell nicht möglich ist, war offensichtlich schon in der Antike bekannt, obwohl die Länge des Sonnenjahres mit genau 365¼ Tagen als richtig angesehen wurde. Deshalb ist es erstaunlich, dass die mit dieser Ansicht mögliche Konstruktion von vier parallelen Datumsskalen, die dem Schaltjahrrhythmus entsprechend gegeneinander versetzt sind, offensichtlich erst am Beginn des 19. Jahrhunderts ausgeführt wurde. Eine zweite Meridiana gleicher Art wurde in Messina errichtet (rechts in Abb.3). Inzwischen war die Ungenauigkeit der Jahreslänge mit 365¼ Tagen längstens bekannt und schon vor mehr als 200 Jahren im Gregorianischen Kalender durch 365,2425 Tage (Anmerkung 2) ersetzt worden.
Meine Skizze zur periodischen Verschiebung eines Gregorianischen Kalenderdatums innerhalb des Sonnenjahrs (Abb.2, 1998) ist auch zur Klärung der vorliegenden Frage geeignet. Sie zeigt, wie jeder folgende schräge Vierjahresstrich einer Datumsskala leicht höher als der vorherige liegt. Feste Skalenstriche befinden sich in künftigen Jahren mehr und mehr an falscher Stelle. Vor dem nach 100 Jahren weggelassenen Schalttag
beträgt der Fehler etwa einen ¾-Tag. Das Weglassen beseitigt den Fehler nicht, sondern führt zu einem ¼-Tag-Fehler mit umgekehrten Vorzeichen. Erst nach weiteren 8 Schaltjahrperioden (32 Jahre) passen der feste und der erforderliche Skalenstrich wieder annähernd zusammen. Die Ausgangssituation ist aber erst nach 400 Jahren wieder erreicht (Anmerkung 3).
Die in Triest errichtete Meridiana ist in ästhetischer Hinsicht eine Besonderheit, bei der leider ausgerechnet die diese Besonderheit ausmachenden Datumssklalen sachlich nicht befriedigen, da sie nicht "in Ewigkeit" benutzbar sind. Die Datums-Anzeige ist durch die faktische Vervierfachung der Skala in vier aufeinander folgenden Jahren und etwa alle 132 Jahre später wieder möglich. Ab der zweiten Schaltjahrperiode stellt sich ein mit jeder fogenden Periode wachsender systematischer Fehler ein. Eine ewige Kalenderanzeige kann mit Hilfe eines Meridians oder einer kompletten Sonnenuhr praktisch nicht erreicht werden (Anmerkung 4).
Der folgende Text beschränkt sich auf den Gebrauch der Meridiana als Vierjahreskalender.
2. "Das Problem der Schalttage" ↑ zurück
Wenn das Sonnenbild die aus rhomboid-förmigen Bodenplatten bestehenden Seitenbänder der Meridiana-Skala quert ist es (im Mittel) 5 Minuten vor (Abb.1) bzw. 5 Minuten nach 12 Uhr (wahrer Mittag).
Die Seitenbänder sind mit den Kalendertagen eines Jahres skaliert. Die Tages/Datums-Marken sind die Bänder schräg kreuzende Linien. Je zwei dieser Linien bilden zwei Kanten von Rhomboiden: Die untere*| und die obere Kante eines Kalender-Rhomboiden gelten für je eines von zwei aufeinander folgenden Daten. Die Schräge der Datumslinien ist erforderlich, um die verschiedene Weite des Sonnenbildes infolge der Veränderlichkeit der Mittagshöhe der Sonne innerhalb einer Schaltjahrperiode zu berücksichtigen. Die Meridiana von Triest ist wie der Julianische Kalender für die Länge des Sonnenjahres von 365½ Tagen eingerichtet. Ein bestimmter Kalendertag wird nach 365 Kalendertagen (Kalender-Gemeinjahr) mit einer um ein Viertel einer Tageseinheit kleineren (rechtes Seitenband) bzw. größeren (linkes Seitenband) Weite des Sonnenbildes angezeigt. Im rechten Seitenband befinden sich die Datenreihe mit kleiner werdender Sonnendeklination, die im Folgejahr (365 Tage) größer und die Bildweite kleiner als im Ausgangsjahr ist. Für das linke Seitenband gilt das Umgekehrte.
Die Mittelpunkte des Sonnenbildes zeigen das Datum korrekt**| in 4 Jahren auf 4 verschiedenen, gleichmäßig auf einer schrägen Plattenkante verteilten Punkten an:
erste Plattenecke - betreffendes Datum in einem 1. Kalenderjahr,
nach 1/3 Kantenlänge - betreffendes Datum in einem 2. Kalenderjahr,
nach 2/3 Kantenlänge - betreffendes Datum in einem 3. Kalenderjahr,
zweite Plattenecke - betreffendes Datum in einem 4. Kalenderjahr (Schaltjahr, Anmerkung 5).
Die beiden Zwischenpunkte sind nicht markiert. Der Betrachter hat ihre Lage durch Schätzen zu ermitteln.
*| Blickrichtung gegen die Sonne
**| abgesehen von Ungenauigkeiten in den Skalen der Seitenbänder und von einem kleinen prinzipiellen Fehler,
verursacht durch das nicht genau 365¼Tage lange Sonnenjahr (wegen dieses prinzipiellen Fehlers ist die Skala nur
für eine einzige Vierjahresperiode korrekt, d.h. nicht für beliebig wiederholten Gebrauch geeignet)
Abb.3 links: Wechsel der Richtung der Rhomboide auf dem linken Seitenband der Triester Meridiana
rechts: Illustration von 1841 eines Teils der Meridiana von Messina (mit Bildnis des zeitgen. Astronomen Jaci),
[4, Fig. 3, Seite 402]
"Das Problem der Schalttage"
Auf dem linken Seitenband befinden sich die Daten 28. Februar und 1. März (links in Abb.3). Der hier alle vier Jahre einzufügende Schalttag stört das Zusammenfassen der vier Punkte für ein Datum auf einer in gleicher Richtung schräg bleibenden Kante eines Rhomboids bzw. auf einer Skalenlinie. Dieses "Problem der Schalttage" [1] wurde auf der Meridiana von Triest (und der von Messina) in naheliegender Weise gelöst: im Schaltjahr für 29. Februar nur ein Skalenpunkt, keine Skalenlinie ; umgekehrt schräge Skalenlinien ab 1. März.
Die entsprechende Stelle enthält aber bezüglich dieses Vorgehens einen systematischen Fehler: Aus der schrägen Linie für den 28. Februar und dem Punkt für den 29. Februar wurde ein gleichseitiges anstatt ein schiefes Dreieck gebildet. Die Wahl dieser Form scheint kein Versehen, sondern könnte der Ästhetik geschuldet gewesen sein, weil sie besser zum Richtungswechsel der Rhomboide passt, keine - wenn auch nur punktuelle - dritte Richtung eingeführt werden musste. Das gleichseitige Dreieck führte auch zu Verzerrungen der es einschließenden Rhomboide. Links in Abb.4 sind diese systematisch gemachten und einige zufällie Fehler durch Vergleich mit den prinzipiell richtigen Skalenlinien erkennbar.
Abb.4 linkes Seitenband im Bereich des alle 4 Jahre einzufügenden Schalttages
links: systematische Fehler wegen gleichseitigem anstatt schiefem Dreieck, [4, Fig. 17, Seite 411]
rechts, oben: durchgehende Jahreslinien (1 bis 4/0), nicht gleiche Daten auf Skalenlinien nach dem 28. Februar
rechts, unten: umgekehrte Reihenfolge der Jahreslinien, ab 1. März gleiche Daten auf Skalenlinien
Die Datumspunkte für das Schaltjahr liegen am linken Ende der Skalenlinien (an den linken Ecken der Rhomboide). Der eingefügte 29. Februar ist ein einzelner Punkt ohne Skalenlinie (unten in Abb.4).
Man könnte die Jahreslinien 1 bis 3 ab 1. März links der Jahreslinie 4/0 neu beginnen lassen und auf diese Weise das bis zum 28. Februar verwendete Schema beibehalten (von rechts/hinten nach links/vorn fallende Skalenlinien bzw. Rhomboide). Diese 3 neuen Jahreslinien wurden mitsamt ihrer Skalenlinien um die Jahreslinie 4/0 gespiegelt. Das linke Seitenband der Meridiana konnte auf diese Weise fluchtend fortgesetzt werden. Die Zählung der Jahreslinien 1 bis 3 erfolgt lediglich in umgekehrter Richtung als bis zum 28. Februar, und die Skalenlinien bzw. die Rhomboid-Kanten verlaufen auch umgekehrt, also jetzt von links/hinten nach rechts/vorn.
Abb.5 Datumsskala im Bereich des alle 4 Jahre einzufügenden Schalttages
Bild und Merkregel aus [1]: "Knick" in den Jahreslinien 1 (1821) und 3 (1823) und ihr
"Sprung um 2 Punkte nach links bzw. rechts"
Zum Vergleich mit der Erklärung als Spiegelung ist in der Legende von Abb.5 die Merkregel mit Hilfe von Knicken und Sprüngen aus der zitierten Arbeit [1] angegeben.
↓ ↓ Abb.6 Nivellierlatte (Ausschnitt: Bild oben und unten beschnitten)
3. Skalenlinien als Kanten von Flächen oder als dünne Striche ↑ zurück
Die Zusammenfassung zweier Datumslinien zu einem Rhomboid hat eine Parallele auf Nivellier- und Pegellatten (Abb.6). Dort werden auch 2 Skalenlinien (6 im senkrechten Teil des "E") im Wechsel zu einer vollen und einer leeren Fläche zusammen gefasst. Wer mit der getrennten Darstellung der Skalenelinien auf Messgeräten vertraut ist, wird von Skalenlinien als Kanten von Flächen möglicherweise eher irritiert als dass er sie mit Vorteil gebrauchen kann. Ihre Verwendung auf der Meridiana war notwendig, da scharf berandete Platten für eine begehbare Skala besser geeignet sind als aufgemalte dünne Striche (und ein Punkt für den 29. Februar).
[1] Paolo Albéri-Auber: Die Meridiana im "Effizio di Borsa" von Triest, Rundschreiben Nr.39
der Arbeitsgruppe Sonnenuhren im Österreichischen Astronomischen Verein, Juli 2010
[2] Paolo Albéri-Auber: La grande Linea Meridiana a camera oscura dell' "Efficio di Borsa" a Tieste,
Gnomonica, Nr.8, 2001, Seite 26
[3] Michael Schütz: Zur Sonnenuhr des Augustus auf dem Marsfeld,
Gymnasium 97, 1990, Seite 454
[4] Paolo Albéri-Auber: La grande Linea Meridiana della Borsa di Tieste,
Archeografo Triestino, Serie IV, 2005, Volume LXV (CXIII della Raccolta)
Anmerkung 1: ↑ zurück
Die Meridiana von Triest zeigt das Datum grob falsch an, denn der Fußboden, auf dem sich ihre Skalen befinden, wurde in späterer Zeit angehoben. Anstatt ein in der Wand höher liegendes, die Sonne abbildendes Loch anzufertigen, wurden die Skalen ungekürzt lediglich ein Stück gegen die Wand verschoben. Das gezeigte Bild wurde am 23. September 2013 fotografiert.
Anmerkung 2: ↑ zurück
Die im Gregorianischen Kalender berücksichtigte Länge des Sonnenjahres mit 365,2425 Tagen ist für die im vorliegenden Artikel angestellten Überlegungen ausreichend genau. Heutiger Wert: 365,24219 Tage.
Anmerkung 3: ↑ zurück
Weil die drei in 400 Jahren weggelassenen Schalttage im Gregorianischen Kalender auf 100-er-Kalenderjahre gelegt wurden, tritt die Ausgangssituation erst nach 400 Jahren wieder ein. Bei Weglassen nach jeweils 132 Jahren wäre schon nach dieser Zeit die Ausgangssituation wieder erreicht.
Anmerkung 3: ↑ zurück
Der dauernde Gebrauch einer Sonnenuhr zur Datumsanzeige auf den Tag genau ließe sich mit erträglichem Aufwand am ehesten erreichen, indem man alle 4 Jahre die Datumsskalen auswechselt. Bei einem Großinstrument wie einem Meridian stößt man aber auch damit an praktische Grenzen.
Anmerkung 5: ↑ zurück
Die Daten in Schaltjahren befinden sich auf den äußeren Ecken der Rhomboide (rechts auf dem rechten und links auf dem linken Seitenband). Nicht gleiche Jahres-Reihenfolge der Datenpunkte auf dem linken und rechten Seitenband und Wechsel der Reihenfolge auf dem linken Seitenband zwischen 28. Februar und 1. März: s. weiteren Text.
Siegfried Wetzel, CH 3400 Burgdorf, Dezember 2013 (Jan.14)
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