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Eine zu einer Sonnenuhr erweiterte Armillarsphäre
Inhalt
1. Veranlassung
2. Kugel-Sonnenuhren
3. Die Linzer Armillarsphären-Sonnenuhr
3.1 Rückblick auf eine Globus-Sonnenuhr
3.2 Der markierte Ekliptik-Ring
3.3 Der markierte mitdrehende Äquator-Ring
3.4 Der drehbare Drahtbügel (Coulisse)
3.5 Anzeigegenauigkeit bei Teilung des Jahres in 365 Tage
4. Ergänzende Bemerkungen
5. Literatur und Anmerkungen
1. Veranlassung
Eine solche Sonnenuhr wurde im Oktober 2023 auf dem Gelände der Johannes Kepler Universtät in Linz an der Donau aufgestellt. Im Dezember machte sie sein Erbauer in sonne+Zeit (Rundschreiben der Arbeitsgruppe Sonnenuhren im Österreichischen Astronomischen Verein) in einem kurzen Artikel allgemein bekannt [1]. Die Universität ehrt mit diesem Instrument ihren Namensgeber Kepler. Auf der etwa 2,3 Meter im Durchmesser großen als Drahtgitter gestalteten Himmelskugel sind etwa 1400 Sterne (in den von Kepler angefertigten Rudolphinischen Tafeln nur 1050) in Form kleiner Metall-Scheiben angebracht. Zudem wird der gemäß zweitem Keplerschen Gesetz mit nicht konstanter Geschwindigkeit erfolgende Jahres-Lauf der Sonne nachgebildet. Der entsprechend große Ekliptik-Ring ist mit Tagesmarken, die unterschiedlichen gegenseitigen Abstand haben, versehen. Damit wird einerseits das Keplersche Gesetz anschaulich gemacht, und die ungleichmäßig verteilten Markierungen als erste Ursache der Zeitgleichung herausgestellt. Andererseits werden diese Markierungen gebraucht, um die Armillarsphäre täglich zu kalibrieren, so dass sie als Sonnenuhr neben der Wahren Ortszeit (WOZ) auch die mit der Zeitgleichung [2] korrigierte Mittlere Ortzeit (MOZ) anzeigt (Anmerkung 1).
Auf Anfrage erhielt ich vom Erbauer einige weitere, über den kurzen veröffentlichten Text hinausgehende Erklärungen und Bilder, so dass ich mir dieses Instrument genauer und wie im Folgenden beschrieben vorstellen kann.
Abb. 1: Armillarsphären-Sonnenuhr in Linz an der Donau, geogr. Breite φ = 48,34° Nord, Länge λ = 14,32° Ost. [1]
2. Kugel-Sonnenuhren
Das Gemeinsame der bekannten Globus- und Armillarsphären-Sonnenuhren ist die Kugelform der verwendeten Bauteile (Erde-Globus bzw. Himmels-Kugel) und, dass sich die Skala der Tagesstunden auf deren Äquator befindet (Abb.n 2 u. 3), weshalb sie im erweiterten Sinn als Äquator-Sonnenuhren bezeichnet werden.
Abb.2: Globus-Sonnenuhr in Freiburg/Breisgau, φ = 48,0° Nord;
Abb.3: Armillarsphären-Sonnenuhr in Signy-l’Abbaye/F, φ = 49,7° Nord; Wikipedia
Die Kugeln beider Typen sind i.d.R. fest montiert.
Ein drehbares Zusatzteil hat oft nur die Globus-Sonnenuhr. Da diese undurchsichtig ist und der Polstab (Erd- bzw. Himmels-Achse) im Unterschied zur Armillarsphären-Sonnenuhr als Schattenwerfer nicht zur Verfügung steht, wird bei ihr ein um die Erdachse drehbarer Bügel dafür benutzt. Dieser ist blattförmig dünn. Die Zeitablesung erfolgt in derjenigen Drehstellung, in der sein Schatten am schmalsten ist (Abb.2).
Bei der Armillarsphären-Sonnenuhr wirft der Polstab seinen Schatten auf die sichtbare Innenseite des Äquator-Rings. Die meisten dieser Uhren haben nicht nur eine fix montierte sondern oft auch eine auf nur drei Ringe reduzierte Sphäre (Abb.3).Diese Sonnenuhren werden häufiger nur als (äquatoriale) Ringsonnenuhren, denn als Armillarsphären-Sonnenuhren bezeichnet. Da der Ekliptikring für eine Sonnenuhr nicht gebraucht wird, fehlt er bei diesen Sonnenuhren fast immer. Als Zugabe sind am ehesten die zwölf Tierkreiszeichen ihrem Äquatorring zugefügt (Anmerkung 1a).
3. Die Linzer Armillarsphären-Sonnenuhr
Abb.4: Linzer Armillarsphären-Sonnenuhr
als 3D-Zeichnung [1]
Abb.5: Einstellen der Coulisse auf dem Ekliptik-Ring [W.Riegler]
Diese Sonnenuhr ist wie eine Armillarsphäre im ursprünglichem Sinne um die Himmels-Achse drehbar (Abb.4). In ihrem Mittelpunkt befindet sich ein Globus, um den sich der Sternenhimmel drehen lässt. Das Kugelgitter bildet das für Stern-Positionen üblicherweise gebrauchte ekliptikale Koordinatensystem, sodass der dafür erforderliche Ekliptik-Ring vorhanden ist. Neben dem Äquator gibt es keine Kleinkreise auf dieser Kugel, obwohl den Kugel-Sonnenuhren gelegentlich die Wendekreise (aber nicht die Polarkreise) beigefügt sind und benutzt werden. Der Ekliptik- und der fest auf der Kugel montierte Äquator-Ring sind je mit 365 Tagesmarken versehen. Letztere sind gleichmäßig über den Umfang verteilt.
Im Unterschied zu den üblichen Armillarsphären-Sonnenuhren wird wie in Abb.2 ein Bügel und nicht die Himmels-Achse bzw. ein Polstab als Schattenwerfer benutzt. Umgekehrt: Die Himmelsachse (und der von ihr getragene kleine Erd-Globus im Mittelpunkt der Armillarsphäre) ist das Ziel des Schattens bei entsprechender Einstellung des drehbaren Bügels bei der Zeitmessung. Der Grund für die Abkehr vom Schatten der Himmelsachse (Polstab) sind nicht erschwerte Sichtverhältnisse auf die hintere Kugelinnenseite, sondern die zusätzliche Verwendung des schattenwerfenden Bügels zur Erklärung der Zeitgleichung und zur Anzeige der um sie korrigierten Tageszeit.
Der halbkreisförmige Drahtbügel ist das Hauptteil in der Mitte der sogenannten Coulisse (siehe Abb.5 ). Wenn sein Schatten im Ziel liegt, zeigt er auf der Stundenskala eines zweiten - hier im Gestell festen - Äquator-Rings die Tageszeit an (Ab.6). Vorher wird er dort, wo er die dem Kalendertag entsprechende Markierung auf dem Ekliptik-Ring trifft, auf der Drahtgitterkugel fixiert (Abb.5) und dann mit dieser gemeinsam in die schattengenaue Lage gedreht.
Abb.6: Linzer Armillarsphären-Sonnenuhr [1]
Zeitmessung am 4. Oktober 2023
Sonnenzeit = vom Drahtbügel angezeigte
WOZ
Mittlere Sonne = von der Äquator-Tagesmarke
angezeigte MOZ
Zeitgleichung = MOZ -WOZ ≈ 11 Minuten
MEZ = Mitteleuroäische Zonenzeit, ist in Linz
etwa 2 Minuten früher als MOZ (Anmerkung 2)
Zeitziffern leider außerhalb des Bildes
Das Fixieren des Drahtbügels auf der Drahtgitterkugel ist das dem Kalendertag entsprechende Kalibrieren der Sonnenuhr gemäß der Zeitgleichung. Ist die Zeitgleichung am betreffenden Kalendertag nicht Null, so verfehlt der Drahtbügel die auf dem mitgedrehten Äquator-Ring befindliche Marke des gleichen Kalendertages. Die Fehldistanz ist der Wert der Zeitgleichung dieses Tages. Auf dem festen Äquator-Ring zeigt diese Tagesmarke die mit der Zeitgleichung korrigierte MOZ an (Abb.6).
3.1 Rückblick auf eine Globus-Sonnenuhr
Die vorliegende Armillarsphären-Sonnenuhr lässt sich als mit weiteren Bauteilen ergänzte Globus-Sonnenuhr auffassen. Damit auf derem Äuator-Ring (in Abb.2 der mit Stundenstiften skalierte Äquator) neben der WOZ auch die MOZ angezeigt wird, ist ein zweiter Zeiger erforderlich. Dieser ist mit dem ersten Zeiger verbunden und mit diesem gemeinsam drehbar. Ihr gegenseitiger Winkelabstand muss täglich (oder z.B. wöchentlich) analog zum variablen Wert der Zeitgleichung verändert werden können. Grundsätzlich braucht nur einer der beiden Zeiger auf z.B. einem beide verbindenden Äquatorring verschiebbar sein. Da sich der Zeigerabstand relativ wenig ändert, ist es von Vorteil, beide Zeiger verschiebbar zu machen und den gesamten Umfang dieses Ringes dafür zu nutzen. Die diversen Platzmarken-Paare sind auf diese Weise leichter und sicherer erkennbar.
Die Marken-Paare sollen aber nicht als blosse materielle Zeitgleichungstabelle in Erscheinung treten, sondern das Wesen der Zeitgleichung soll zusätzlich in einem Himmelsmodell erkennbar gemacht werden. Dafür bietet sich eine Armillarsphäre an. Die beiden Zeiger werden auf ihrem Äquator-Ring angeordnet. Auf ihrem Ekliptik-Ring werden die täglichen (oder z.B. wöchentlichen) Positionen (ekliptikale Längen) der Wahren Sonne über das ganze skaliert.
In seiner Form als Bügel (Teil eines Meridiankreises) zeigt der erste Zeiger auf dem Äquator-Ring die äquatoriale Länge (Rektaszension) der Wahren Sonne an.
Er hat somit seinen datumsabhängigen und über den gesamten Umfang des Äquator-Rings verteilten Platz. Passend dazu werden darauf die über den Umfang gleichmässig verteilten Platzmarken der Mittleren Sonne angebracht. Diese stellen den datumsabhängig positionierten zweiten Zeiger dar.
Infolge des benutzten Zeitgleichungsmodells sind die beiden Zeiger systematisch über den Umfang des Äquator-Rings verteilt.
Die Globus-Sonnenuhr ist fest aufgestellt. Die Armillarssphäre wird aber gegen die beiden Zeiger und zusammen mit den beiden Zeigern dem ändernden Tagesstand der Sonne folgend verdreht. Die Stundenskala ist auf einem dritten Äquator-Ring, der gestellfest ist, aufgebracht.
Bei einfachem Gebrauch der vorliegenden Armillarsspären-Sonnenuhr - nur die WOZ soll (wie von der Globus-Sonnenuhr, Abb.2) angezeigt werden - kann die Dreh-Lage der Sphäre beliebig sein. Der Hauptzeiger (die Coulisse) ist beliebig an der Sphäre eingerastet oder mit ihr gar nicht gekoppelt.
3.2 Der markierte Ekliptik-Ring
In Abb.7 ist ein Abschnitt des Ekliptik-Ringes gezeigt. Dieser enthält die Markierungen für 16 Kalendertage (6. bis 21. Juni). Die ungleich verteilten Positionen der Sonne sind mit runden Vertiefungen im Ring markiert. Auf dem schmalen nicht vertieften Bereich sind gleichmäßig verteilte schwarze Punkte angebracht. Beim Vergleich mit deren Lage wird die ungleiche Verteilung der Sonnen-Positionen erkennbar. Deren gegenseitiger Abstand wird nach rechts, d.h. bei Annäherung an das Apogäum (= geozentrischer Begriff <<<>>> heliozentrischer Begriff = Aphel), wo ihre Dichte am größten ist, immer kleiner. Am linken Bildrand deckt sich die Sonnenmarke fast mit dem schwarzen Punkt für den Folgetag. Am rechten Bildrand befindet sich der schwarze Punkt bereits am Rand der Marke für den gleichen Tag (21.Juni). Am 4.Juli wird sich der schwarze Punkt mit Nummer 183 genau in der Mitte der Sonnen-Marke mit Nummer 183 befinden. Die Nummerierung beginnt mit 1 für den 3.Januar - dem Perigäum - und reicht bis 365. Der gelegentliche Schalttag bleibt unberücksichtigt.
Abb.7: Linzer Armillarsphären-Sonnenuhr:
Abschnitt des Ekliptik-Ringes vom 6. bis 21. Juni [W.Riegler]
(besser lesbare Nummern der zweimal 16 Markierungen im Bild nochmals zugefügt)
Abb.8: Änderung der ekliptikalen Länge der Sonne
während eines Jahres
Die Abstand-Extreme beim Apogäum (4.Juli) und beim Perigäum (3.Januar) unterscheiden sich nur um 0,066 Winkelgrade (Abb.8). Wegen des großen Durchmessers von etwa 2,3 m des Ekliptik-Ringes ist das immerhin ein 1,32 mm langer Bogen, den sicher zu erkennen evtl. aber doch Nachmessen mit einer Schiebelehre erforderlich macht (Anmerkung 3).
Die Positionen der Sonne auf dem Ekliptik-Bogen sind das unter Anwendung der Kepler-Gleichung erhaltene Rechenergebnis. Sie werden als auf das Perigäum bezogene Bahn-Winkel, die Kepler als die Wahren Anomalien bezeichnete, errechnet.
3.3 Der markierte mitdrehende Äquator-Ring
Abb.9: Linzer Armillarsphären-Sonnenuhr: [W.Riegler]
Schnitt zwischen Ekliptik- und Äquator-Ebene
(Kreuzung der Ringe im Herbstpunkt)
Blick auf die Äquator-Ringe von unten
Der mitdrehende Äquator-Ring ist gleich wie der Ekliptik-Ring mit 365 Kalender-Tages-Marken versehen. Da die Marken gleichmäßig über den Umfang verteilt sind, erübrigen sich die schwarzen Punkte, die auf dem Ekliptik-Ring als Vergleichs-Marken dienen. Der Äquator-Ring ist beidseitig markiert, denn er wird beim Gebrauch des Gerätes als Sonnenuhr sowohl von unten ("Winterseite", Abbn. 5 und 9), als auch von oben ("Sommerseite", Abb.6) betrachtet. Gleiches gilt für den fixen Äquator-Ring: Stunden-Skala beidseitig (oben: Abb.6; unten: Abb.9).
3.4 Der drehbare Drahtbügel (Coulisse)
Abb.10: Ekliptik und Himmels-Äquator
in einer 3D-Zeichnung [2, Abb.4]
ekliptikale Länge λ und Rektaszensions-Winkel α
der Sonne als Seiten eines sphärischen Dreiecks
Die Zeit eines Jahres wird vom Umlauf der Erde um die Sonne (bzw. vom scheinbaren Umlauf der Sonne um die Erde) bestimmt. Dem Datum eines Kalendertages entspricht die ekliptikale Länge λ der Sonne. Die Tageszeit hängt von der Eigendrehung der Erde ab. Weil die Erdachse mit der Äquatorebene einen rechten Winkel bildet, ist die Position der Sonne in dieser Ebene zu messen. Beim Einfluss des jährlichen Sonnenumlaufs ist somit nicht deren ekliptikale Länge, sondern deren Rektaszensions-Winkel α von Bedeutung. Beide sind Seiten in einem rechtwinkligen sphärischen Dreieck mit den Ecken F, Sonne und Sä (Abb.10).
Eine der Grundgleichungen in diesem Dreieck nach der Rektaszension aufgelöst lautet: α = arctan (tan λ · cos ε)
Der Bügel (Coulisse) leistet die Arbeit eines Rechenschiebers, indem er den von λ abhängigen Wert von α auf dem Äquator-Ring anzeigt, nachdem er auf den λ-Wert bei gegebenen Datum auf dem Ekliptik-Ring eingestellt worden ist.
In Abb.10 entspricht der Viertelkreis von NP über die Sonne bis zum Punkt Sä der oberen Hälfte dieses Bügels. Die rote Linie zwischen NP und der Erde ist die obere Hälfte des Polstabs, um den der Bügel drehbar ist, bzw. die Himmels-Achse.
Bei S und W hat das Dreieck zwei rechte Winkel, was sowohl in einer erweiterten Abb.10 als auch beim Einstellen des Bügels erkennbar wird und auf die Gleichheit zwischen α und λ hindeutet.
Bei F (Frühlingspunkt), S (Sommer-Sonnenwende), H (Herbstpkt.) und W (Winter-SW) ist α = λ. Sonst gilt:
α < λ in Frühling und Herbst (Punkte F bis S bzw. H bis W) und
α > λ in Sommer und Winter (Punkte S bis H bzw, W bis F).
Als Punkt S'' ist auf dem Äquator die in Zeitgleichungs-Algorithmen oft verwendete, sogenannte fiktive Vergleichs- oder Mittlere Sonne eingetragen. In der besprochenen Armillarsphären-Sonnenuhr ist dieser die gegebene Datums-Marke. In Abb.10 geht die Sonnenuhr nach, in Abb.4 geht sie vor (Anmerkung 4).
3.5 Anzeigegenauigkeit bei Teilung des Jahres in 365 Tage
Abb.11: Werte der Zeitgleichung in Minuten und Sekunden für den Monat Dezember in den Jahren 2016 bis 2024
[zusammengestellt aus den Tabellen des Österreichischen Astronom. Vereins, Arbeitsgruppe Sonnenuhren]
Eine auf Sekunden genaue Zeitgleichung gilt jeweils nur für ein Kalenderjahr. Die Zeitgleichung mit dieser Genauigkeit wird für jedes Jahr neu berechnet und benutzt. Der Hauptgrund dafür ist, dass das Sonnenjahr nicht eine ganze Zahl von Tagen enthält. Die Zeitgleichungstabellen nach je vier Jahren unterscheiden sich aber nur um 1 Sekunde (Abb.11, Anmerkung 5). Ein Satz aus vier Zeitgleichungstabellen kann somit ohne weiteres mehrere Jahrzehnte lang benutzt werden.
Die Unterschiede sind nur innerhalb der vier Jahre des Schalttag-Rhythmus' überhaupt von Bedeutung. Hier unterscheiden sich die Werte eines bestimmten Kalendertages bei der Wintersonnenwende von Jahr zu Jahr um 7 bis 8 Sekunden, und vom dritten 365-Tage-Jahr (Gemeinjahr) zum Schaltjahr beträgt der Unterschied mit umgekehrtem Vorzeichen zwischen 22 und 23 Sekunden (≈ 3 · 7½ Sekunden, Abb.11). Die Unterschiede sind zu dieser Zeit am größten, weil die Steigung der Zeitgleichungs-Kurve am größten ist.
Den 3 Gemeinjahren fehlt je ¼ Tag, und die Zeitgleichung ist in ihnen je um den Anteil dieses ¼ Tages verschoben. Zwischen 2 Gemeinjahren gilt: Im Folgejahr sind die Zeitgleichungswerte 6 Stunden später (d.h. 18 Uhr) gleich wie die zur Standard-Zeit (12 Uhr) vom Vorjahr, was sich durch Interpolieren in Abb.11 kontrollieren läßt. Beim Einschub des Schalttages werden diese 3 Teilverschiebungen rückgängig gemacht. Das übrige ¼ des Schalttages dient zum Rückgängigmachen der
Verschiebung zwischen seinem Vorjahr und ihm (Anmerkung 6 und Anmerkung 7).
Die weiter oben genannte Streuung im Bereich 1 Sekunde beruht auf dem nur aufwändig erfassbaren Einfluss des Mondes und der Planeten auf die Bahnfahrt der Erde um die Sonne (bei wie im Vorliegenden ausschließlicher Anwendung der Keppler-Gleichung sind diese nicht erfasst). Dazu kommen erst nach Jahrzehnten über den 1-Sekunden-Bereich hinausgehende Änderungen, die ihre Ursache in der äüßerst langsamen Form- und Lageänderung der Erdbahn haben.
Bei Berücksichtigung der Zeitgleichung in Sekunden-Genauigkeit ist eine Sonnenuhr sowohl in Grundanwendung als auch mit Zeitgleichungskorrektur zuZeitanzeige ein unzureichendes Messgerät. Wegen der Größe der Sonne (Raumwinkel etwa 0,5°) ist der von ihr ausgeblendete Schatten zu unscharf, um ihn auf eine kleinere Ungenauigkeit als eine halbe Minute sicher ablesen zu können. Der zwischen zwei Schalttag-Einfügungen systematisch bis auf etwa 24 Sekunden angehäufte Zeitgleichungs-Fehler kann in der halbminütigen Ablesegenauigkeit untergehen, kann aber auch den Gesamtfehler für die gemessene MOZ mit der besprochenen Armillarsphären-Sonnenuhr am Tage vor der zweiten Schaltung bis auf etwa 1 Minute erhöhen.
Das muss hingenommen werden, denn eine Sonnenuhr ist kein 1-Jahres-Artikel, sondern ist für längeren Gebrauch vorgesehen (sie wird auch nicht als 4-er Pack angeschafft, die besprochene aufwändige Armillarsphärenuhr ohnehin auf keinem Fall).
4. Ergänzende Bemerkungen
Die in der vorliegenden Armillarsphäre integrierte Sonnenuhr muss bedient werden. Sie zeigt nicht selbständig an, ist somit "nur" eine passive, keine aktive Sonnenuhr.
Der Benutzer muss die Coulisse (Funktion als Rechenschieber) auf die Tagesposition (ekliptikale Länge) der Sonne einstellen (Zeitgleichungs-Korrektur für MOZ).
Der Benutzer muss die Coulisse (Funktion als Schattenwerfer) in die Stundenebene, in der sich die Sonne gerade befindet, hineindrehen (WOZ-Anzeige).
Die Armillarsphären-Sonnenuhr ist eine Vielstab-Sonnenuhr, bei der Elemententausch zwischen Schattenwerfer und Skalenmarken stattfindet. Der Polstab (Himmelsachse) ist alleinige Skalenmarke für den Schatten eines von vielen Schattenwerfern. Die vom Bügel (Coulisse) dargestellte Vielstab-Kombination ist keine fixe Auswahl. Es muss im allgemeinen Fall nicht zwischen zwei Stäben interpoliert werden, sondern die Coulisse ("Einstab-Kombination") kann in jede beliebige Stundenebene hinein gedreht werden.
5. Literatur und Anmerkungen
[1] Werner Riegler: Eine Astronomische Sonnenuhr, sonne+zeit (Rundschreiben
der Arbeitsgruppe Sonnenuhren im Österreichischen Astronomischen Verein)
Nr. 66, Dezember 2023, Seiten 14 und 15
[2] Siegfried Wetzel Die Zeitgleichung für Nicht-Astronomen, DGC-Mitteilungen Nr. 111, Herbst 2007
[3] Siegfried Wetzel Die Zeitgleichung, elementar behandelt, DGC-Mitteilungen Nr.109,Sommer 2007
und Chronométrophilia No 62, 2007
Anmerkung 1:
Die zweite Zeitgleichungs-Ursache ist die im Weltraum fixe Richtung der Schnittlinie zwischen Ekliptik- und Äquator-Ebene. Die Armillarsphäre ist a priori ein anschauliches Modell dafür.
Für die entsprechende Umwertung der ekliptikalen Länge des Sonnenortes in seine äquatoriale Rektaszension ist lediglich ein um die Polachse drehbarer Hilfsbügel (Coulisse, siehe 3.3) erforderlich.
Anmerkung 1a:
Ein Beispiel für eine üppig mit Tierkreiszeichen geschmückte Armillarsphären-Sonnenuhr ist die Äquatorialsonnenuhr am Mainufer in Frankfurt.
Anmerkung 2:
Die MEZ wird von der Sonnenuhr nicht angezeigt. Im Bild ist sie lediglich als Notiz nach kontrollierendem Vergleich der angezeigten MOZ mit ihr eingetragen.
Anmerkung 3:
Erst wenn man die Exzentrizität der Bahnellipse erheblich vergrößert, lassen sich die Unterschiede mit bloßem Auge deutlich erkennen. In Abb. 12 bewegt sich die Sonne auf einer fiktiven Ellipse mit 10-facher Exzentrizität. Beim Apogäum befinden sich die jeweils zehn-nächst benachbarten Positionen innerhalb eines 2·10°-Winkels, beim Perigäum außerhalb (die jeweils 9 dazwischen liegenden Positionen sind nicht gezeichnet). Der Unterschied zwischen den Abstand-Extremen beim Apogäum und beim Perigäum hat sich auf etwa das Zehfache vergrößert (vergl. Abb.13 mit Abb.8).
Abb.12: Sonnen-Postionen auf einer elliptischen Bahn mit
10 mal größerer Exzentrizität
(e = 10 · 0,0167 = 0,167);
Sonnenbahn mit schwarzen Punkten gleichmäßig
geteilt und als Kreis gezeichnet;
für verbesserte Übersicht ist nur jede zehnte
Position gezeichnet (deren Gesamtzahl ist
von 365 auf 360 verkleinert)
Änderung der ekliptikalen Länge der Sonne während eines Jahres bei 10-fach größerer Bahn-Exzentrizität: Abb.13 ↑↑↑
Anmerkung 4:
Zu beachten ist , dass die Rektaszension und die Tageszeit (Stundenwinkel) in einander entgegen gesetzten Richtungen gezählt werden.
Anmerkung 5:
Die geringe Abweichung von nur 1 Sekunde und die später genannten Abweichungen werden von den in Abb.11 verwendeten Tabellen bestätigt. Der von ihnen abgedeckte Zeitraum ist knapp 1 Jahrzehnt lang.
Anmerkung 6:
Ende Dezember ändern sich die Werte von Tag zu Tag mehrere Male um 30 Sekunden bzw 7½ Sekunden innerhalb 6 Stunden. Die im Folge-Gemeinjahr für 6 Stunden später gefundenen Werte sind mit denen des Vor-Jahres fast identisch.
∗ Beispiel: 23.Dezember in den Jahren 2021 und 2022;
Differenz zum 24.Dezember = -30 Sekunden, 6-Stunden-Anteil = -7½ Sekunden
Wert-Korrektur für 23.Dezember 2022: 0:57 - 7½ Sekunden ≈ 0:50 = Wert für 23.Dezember 2021.
∗ Beispiel: 23. Dezember im Jahr 2023 und im Jahr 2024 (Schaltjahr)
Differenz zum 24.Dezember 2024 = -30 Sekunden; 18-Stunden-Anteil = -22½ Sekunden;
Rückgängigmachen der bis 2023 angefallenen Verschiebungen: 2023-Wert 1:05 - 22½ Sekunden ≈ 0:43 = 2024-Wert.
Anmerkung 7:
Januar und Februar sind von der Wirkung des Schalttages noch nicht betroffen. Man vermeidet Fehlschlüsse und Irrtümer z.B. beim Vergleich von Zeitgleichungswerten aus Tabellen, wenn man nicht mit dem Kalenderjahr abeitet, sondern das Jahr am 1. März beginnen und vor dem nächsten 1. März enden lässt.
Siegfried Wetzel, CH 3400, Februar 2024 (Apr.24)
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