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Ostern, Meton und Kallippus

Zusammenfassung

Die Berechnung des Oster-Termins wird vordergründig ausschließlich unter Anwendung des 19-jährigen Meton-Zyklus' vorgenommen. Schliesst man aber den im Hintergrund mitbestimmenden 4-jährigen Schaltjahr-Zyklus ein, so ist ein 76-jähriger, das heißt der Zyklus des Kallippus wirksam.

Diese Feststellung bezieht sich sowohl auf den Julianischen Kalender als auch auf seine Verbesserung, den Gregorianischen Kalender.

Inhalt

1. Die Periode des Meton-Zyklus' bei Meton und bei Kallippus
2. Die Verbreitung des 365¼ Tage langen Kalenderjahrs
3. Meton oder Kallippus
4. Die zwei Zyklen in der Osterrechnung
5. Die Osterrechnung seit der Gregorianischen Kalenderreform
6. Literatur

1. Die Periode des Meton-Zyklus' bei Meton und bei Kallippus  ↑ Anfang

Die annähernde Gleichheit von 19 Sonnenjahren mit 235 astronomischen Mondmonaten (synodische Monate) war vermutlich bereits im 8. Jahrhundert v.Chr. in Babylonien bekannt [1, S.43] und wurde dort auch vor der Zeit des griechischen Astronomen Meton bei der Erstellung eines ans Sonnenjahr gebundenen Mondkalenders angewendet. Dennoch ist letzterer Namensgeber für diese astronomische Tatsache geworden.

Ein Grundprinzip eines Kalenders ist, längeren Zeiträumen, also auch einer solchen Periode eine ganze Zahl von Tagen zuzuordnen. Zur Zeit Metons (5. Jahrhundert v.Chr.) wurden 6'940 Tage dafür angenommen, die wiederum ganzzahlig auf die 19 einzelnen Kalenderahre und die 235 einzelnen Kalender-Mondmonate zu verteilen waren.
Das einzelne Kalenderjahr hatte die durchschnittliche Länge von 365,2632 Tagen.

Der im nächsten Jahrhundert (4. Jahrhundert v.Chr.) lebende, ebenfalls griechische Astronom Kallippus bemerkte, dass die Bemessung der Periode mit 6'940 Tagen etwas zu lang war. Er kürzte die vierfache Periode um einen Tag:
76 Jahre = 4 · 19 Jahre = 4 · 6'940 Tage - 1 Tag = 27'759 Tage.
Die 19-jährige Periode bekam damit die nicht gazzahlige Länge von 6'939,75 Tagen,
das einzelne Kalenderjahr die durchschnittliche Länge von 365,25 Tagen.

Die 76-jährige Kallippische Periode ist nur bezüglich ihrer Bemessung in Tagen von Bedeutung. Die annähernde Gleichheit von 19 Sonnenjahren mit 235 astronomischen Mondmonaten bleibt in der Beziehung
76 Sonnenjahre ≈ 940 astronomische Mondmonate
unverändert gültig.

2. Die Verbreitung des 365¼ Tage langen Kalenderjahrs  ↑ Anfang

Es ist nicht bekannt, ob Meton den nach ihm benannten Zyklus überhaupt für einen Kalender benutzte. Dass Kallippus Nutzen aus seinem 76-jährigen Zyklus für einen Kalender zog, ist wahrscheinlicher. Bekannt ist, dass im dritten Jahrhundert v. Chr. in Ägypten zur Zeit des Pharaos Ptolemaios III. kurzzeitig ein Kalender mit durchschnittlich 365,25 Tagen Jahrlänge in Gebrauch war. Es handelte sich aber ausschließlich um einen Sonnenkalender, und ob die Kenntnis der Jahrlänge von Kallippos übernommen wurde, ist nicht bekannt.

Die Einschaltung eines Zusatztages alle vier Jahre wurde später vom Julianischen Kalender übernommen, nachdem Julius Cäsar persönlich in Ägypten davon erfahren hatte. Zur gleichen Zeit, der Zeit von Jesus Christus', wurde in Palästina ein gebundener Mondkalender verwendet, der längerfristig ebenfalls ein durchschnittlich 365,25 Tage langes Jahr hat. Die Erinnerung der Christen zu Ostern an den Tag der Auferstehung Jesus Christus' beruht auf diesem heute noch gültigen Jüdischen Kalender, der innerhalb des Julianischen Sonnenkalenders (und des verbesserten Gregorianischen Kalenders) zur Anwendung kommt. Die Bindung an die Mondmonate kommt dadurch zum Ausdruck, dass der Ostersonntag dem ersten Vollmond im Frühling zu folgen hat, also im ersten Mondmonat des religiösen Jüdischen Kalenders liegt.

3. Meton oder Kallippus  ↑ Anfang

Die Erkenntnis des Kallippus, dass 76 Kalenderjahren 27'759 ganze Tage zuzuordenen sind, hat zur Folge, diese ganzzahlig auf jetzt 76 einzelne Kalenderjahre und 940 einzelne Kalender-Mondmonate zu verteilen. Verblüffend ist, dass insbesondere in der Osterrechnung der 19-jährige Meton-Zyklus im Vordergrund steht. Sie wurde maßgebend von den ersten Osterrechnern (Computisten) bestimmt, die in der Zeit vor dem ersten Konzil von Nicäa (325 n.Chr.) in Alexandria wirkten. Ob sie die Kenntnisse der antiken griechischen Astronomen um Meton und Kallippus übernahmen oder eigene Schlüsse erarbeiteten, ist nicht überliefert. Auf den Jüdischen Kalender konnten sie sich im Detail nicht stützen, denn der wurde erst im Jahr 359 n.Chr. durch den Patriarchen Hillel II. zyklisch (langfristig vorausbestimmt) gestaltet. Vorher wurde auf Grund permanenter astronomischer Beobachtungen der Bedarf für einen 29 oder 30 Tage langen Schalt-Monat erkannt und nach Prüfung und Anordnung der religiösen und politischen Instanz Hoher Rat (Sanhedrin) in Jerusalem momentan gehandelt: Der jüdische Kalender zur Zeit Christi.

Ich ergänze meine Verblüffung im nächsten Abschnitt durch einige lediglich sachliche Betrachtungen, eine befriedigende mathematische Erklärung oder schöne mathematische Formulierung habe ich nicht gefunden. Vorerst berufe ich mich auf Literatur-Zitate, die ein Abrücken vom puren Begriff Meton-Zyklus andeuten.

  • Eine vorsichtige Haltung ist, nicht Kallippus-Zyklus, aber durch Kallippus verbesserter Meton-Zyklus zu sagen: Meton oder Kallipppos? Welcher Zyklus liegt der Osterberechnung zugrunde?
  • Andere Autoren sprechen ausschließlich vom Kallippus-Zyklus. Zu nennen ist Heiner Lichtenberg [2], der die Gregorianischen Ausnahmeregeln in die Osterformeln von Gauß einarbeitete. Selbstverständlich kommt in seinen Formeln die übliche 19, niemals eine 76 vor. Störend auffällig ist nur, dass er im Kontext strikte vom Kallippischen Zyklus spricht: Wann ist Ostern?

4. Die zwei Zyklen in der Osterrechnung  ↑ Anfang

Der Hauptteil der Osterrechnung, die zyklische Ermittlung des Datums für den ersten Vollmond ab inklusive 21. März (zyklischer Frühlingsanfang) beruht auf dem
19-jährigen Meton-Zyklus und dem
4-jährigen Schaltjahr-Zyklus,
mit dem das Kalenderjahr auf der durchschnittlichen Länge von 365,25 Tagen gehalten wird. Weil die Gleichung
19 Sonnenjahre = 235 astronomische Mondmonate
als richtig gilt (die Gregorianischen Korrekturen bleiben vorerst unberücksichtigt), werden den 235 Kalender-Mondmonaten genau 19 Kalenderjahre zu je 365,25 Tagen zugeordnet.

Faktisch erfolgt eine formale Trennung der verbesserten Meton-Periode mit 6'939,75 Tagen in 6'935 ganze Tage und einen Rest von 4,75 Tagen. Die 6'935 ganzen Tage werden ganzzahlig auf Kalendermonate (auf 110 volle zu je 30 Tagen und auf 115 hohle zu je 29 Tagen) verteilt. In 19 Jahren werden durchschnittlich 4,75 Schalttage zugefügt, so dass die Bilanz auf 6'939,75 Tage formal stimmt. Ein 19-jähriger Zyklus liegt aber nur scheinbar vor, denn real folgen auf drei Perioden zu je 6'940 Tagen eine Periode mit nur 6'939 Tagen Länge. Erst die 76-jährige Periode ist wirklich unveränderlich.

Die Wirkung des Schalttages war früher weniger deutlich, denn sogar noch nach der Gregorianischen Kalenderreform war es üblich, dem Schalttag kein eigenes Datum zuzuordnen. Damals enthielt der 24. Februar zwei Tage und hieß ante diem bis sextum calendas martias (bis=doppelt). Einen Tag mit eigenem Datum - den 29. Februar - anzuhängen, ist ein relativ moderner Brauch.

Der den Schalttag enthaltende Kalender-Mondmonat ist um einen Tag länger. Wenn dieser der 13. Monat (sogenannter Mondsprung) ist, so hat er formal schon 30 Tage, real also 31 Tage. Die in der Literatur verbreitet anzutreffende Aussage, dass die im (Gregorianisch korrigierten) Kalender angegebenen "Mondphasen fast niemals mehr als einen Tag von den astronomischen Zeitpunkten abweichen" [1, S.50], ist m.E. zu revidieren. Innerhalb jeder 19-jährigen Periode finden immerhin 6 Mondsprünge mit real 31 Tage langen Kalender-Mondmonaten statt.

Der 4-jährige Schaltjahr-Zyklus war im Julianischen Sonnenkalender bereits vorhanden, als in diesen die lunare Einbettung des Osterdatums vorgenommen wurde. Er sorgt primär für die Anpassung des Kalenderjahrs an das Sonnenjahr, wirkt sich aber selbstverständlich auch auf die Konstruktion der Kalender-Mondmonate aus und kann nicht unbeachtet bleiben. Im Gegenteil, die durch Abspaltung der Schalttage gewonnene 19-jährige Rechengröße, die 6'935 ganze Tage lang ist, macht ein elegantes und nur auf ein Viertel der Kallippischen Periode ausgedehntes Vorgehen möglich. Dass dieses Vorgehen in der Literatur nicht kritisiert werden muss, ist naheliegend. Nicht naheliegend ist aber, dass es nirgends ausführlich beleuchtet wird.

Die 532-jährige Periode (Julianischer Kalender) des sogenannten Oster-Zyklus' wird in der Regel als das kleinste gemeinsame Vielfache der 19-jährigen Meton-Periode und der 28-jährigen Periode des sogenannten Sonnen-Zyklus' (oder Sonnenzirkels [1, S.35]) angegeben. Letzterer ist das kleinste gemeinsame Vielfache der 4-jährigen Schaltjahr-Periode und der 7-jährigen Wochentags-Periode. Darin spiegelt sich die solare Seite des Kalenders. Der Oster-Zyklus würde angemessener lunar besprochen, wenn seine Periode als das kleinste gemeinsame Vielfache der 7-jährigen Wochentags-Periode und der 76-jährigen kalippischen Periode dargestellt würde. In Letzterer würde die ebenfalls als kleinstes gemeinsames Vielfaches vorliegende Zusammenfassung der 19-jährigen Meton-Periode und der Schaltjahr-Periode erkennbar sein. Diese beiden werden schließlich gebraucht, um den zyklischen Vollmond-Tag vor Ostern zu ermitteln.

5. Die Osterrechnung seit der Gregorianischen Kalenderreform  ↑ Anfang

Alles bisher zur Osterrechnung Besprochene bleibt immer während wenigstens 100 Jahren - manchmal während 200 oder sogar 300 Jahren gültig. Am Ende dieser Gültigkeitsbereiche erfolgt lediglich die Verschiebung des kalendarischen Vollmondes um einen Tag. Die Verschiebungen beruhen auf Korrekturen der kleinen Fehler, die im Julianischen Kalender im Vergleich zu den astronomischen Größen enthalten waren. Die bekannteste Korrektur ist der Ausfall von drei Schaltjahren während 400 Jahren. Man kann aber immer wenigstens 100 Jahre lang (ein hohes Menschen-Alter) die bewährte Julianische Methode der Osterfindung anwenden.

Was sich erheblich ändert, ist der Gregorianische Oster-Zyklus. Die selten und nach einem zeitlich ungeraden Schema angewendeten Korrekturen bescheren ihm die astronomisch große, in menschliche Maßstäbe nicht mehr passende Periode aus 5'700'000 Jahren: Der gregorianische Osterzyklus.

6. Literatur  ↑ Anfang

[1] Heinz Zemanek: "Kalender und Chronologie", Oldenbourg 1990
[2] Heiner Lichtenberg: "Zur Interpretation der Gauß'schen Osterformel und ihrer Ausnahmeregeln",
     Historia Mathematica 24 (1997), s.441-44

LogoSW Siegfried Wetzel, CH 3400 Burgdorf, April 2011

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