<< Home Balken: Biegen und ScherenInhalt
1. Einleitung 1. Einleitung ↑ AnfangBei Biegeuntersuchungen von Balken wird neben dessen Biegemoment- oft auch dessen Querkraft-Beanspruchung genannt (beispielsweise in Abb.1, Diagramm (Q(x)), auf letztere aber im Weiteren nur selten eingegangen. Mitunter wird lapidar bemerkt, sie spiele gegenüber der Beanspruchung durch das Biegemoment eine untergeordnete, d.h. eine vernachlässigbare Rolle.
<<< Abb.1 Balken auf zwei Stützlagern (Einfeldträger) Die quer wirkende äußere Kraft P bewirkt nämlich nicht nur, dass sich der Balken verbiegt, sondern auch, dass sich seine Querschnitte parallel gegeneinander verschieben (Querschub, Scherung). Ein zwischen zwei Querschnitten befindliches Balkenelement wird in sich verzerrt. Ein sehr kurzer Balken kann auf diese Weise in Teile zerschert bzw. zerschnitten werden. Beim reinsten Schervorgang in einer Schere ist die betrachtete Balkenlänge auf die Breite des Messerspaltes geschrumpft (L/2 → 0). Über diese kurze Länge und mit großer Kraft P wird der Balken in Querrichtung stark verzerrt und schließlich getrennt bzw. zerschnitten. In der Praxis ist ein Balken oder Stab "schlank", d.h. seine Länge ist wesentlich größer als seine Höhe oder Dicke. Und die Erfahrung lehrt, dass er sich unter üblicher Belastung (z.B. unter Einzellast wie in Abb.1) verbiegt und bei Überlastung nicht zerschnitten wird, sondern dass ein Biegebruch (i.d.R.durch Zerreisen auf der Außenseite der Biegekrümmung eingeleitet) erfolgt. Die Verschiebung w ist i.d.R. deutlich erkennbar. Zudem haben wir die Angewohnheit, einen Stab in Teile zu zerlegen, indem wir ihn übers Knie legen und zerbrechen. Die zum Abscheren nötigen Kräfte übersteigen die beim Biegebrechen anzuwendenden erheblich, so dass kaum jemand im Alltag das Scheren versucht, indem er den Stab mit beiden eng aneinander liegenden Fäusten fasst und die Fäuste parallel gegeneinander bewegt (nicht einmal ein Schnittversuch mit dem Taschenmesser verspricht leichten Erfolg). Ich werde die bei der Belastung (= quer wirkende äußere Kraft) eines schlanken Balkens entstehenden Beanspruchungen (= Biegen und Scheren), die Spannungen im Balken und seine Verformung unter Anwendung der Balkentheorie bestimmen. Vorher beschreibe ich einfache schematisierte Experimente an einem (nicht einmal besonders) schlanken Balken, deren Ergebnisse ich mit den später ausgerechneten Werten vergleichen werde. Beides - Balkentheorie und Experimente - sollen den Grad vernachlässigbarer Scherbeanspruchung anschaulich machen. 2. Biege- und Scher-Experiment ↑ Anfang2.1 Versuchsaufbau ↑ AnfangGewählt ist ein links eingespannter Balken (Kragträger), der sich gleich verhält, wie die rechte Balkenhälfte in Abb.1 bei umgkehrter Last-Richtung (bei C wirke F = P/2 nach unten). Biegen und Scheren werden getrennt voneinander nachgebildet: Abb.n 3 u. 4) Der Balken ist längs in vier gleiche Abschnitte geteilt. Seine real homogene Elastizität wird in der Mitte jedes Abschnitts, wo der Balken jeweils zerschnitten ist, konzentriert vorliegend angenommen und mit Schraubenfedern simmuliert.Die Balkenklötzchen bleiben bei den im Experiment auftretenden relativ kleinen Kräften praktisch unverformt. Abb.2 zeigt die Verbindungsgelenke zwischen den Klötzchen und die an den Schnittstellen wirkendenen Federn.
Abb.2 Details im Experiment-Aufbau
2.2 Das Biege-Experiment (Abb.3)  ↑ AnfangDas Scheren durch die am freien Ende des Balkens quer wirkende Kraft F ist mittels Drehgelenken zwischen den Holzklötzchen ausgeschaltet (wird nicht simuliert). Die Klötzchen können sich nur (im Uhrzeigersinn) drehen, wenn sie das Biegemoment x·F schrittweise nach links weiter geben, sich aber nicht quer zueinander verschieben. Jedes Klötzchen ist relativ zu seinem Nachbar umso mehr verdreht, je weiter links es sich befindet. Das zeigt, dass das Biegemoment mit der Entfernung x (Hebelarm) von der quer wirkenden Kraft F wächst (x von rechts nach links wachsend), und dass sich dementsprechend die Krümmung der Biegelinie vergrößert (s.auch Abb.1). An den Schnittstellen bilden die Federkräfte ein Kräftepaar als Reaktionsmoment zum Biegemoment x·F. Der Abstand zwischen den Federn beträgt 2/3 der Balken (Klötzchen-)Höhe (Diskussion unter 3.1.5).
Abb.3 Biege-Verformung eines links eingespannten Krag-Balkens, Experiment mit Federn zwischen diskreten 2.3 Das Scher-Experiment (Abb.4) ↑ AnfangDas Biegen durch die am freien Ende des Balkens quer wirkende Kraft ist mittels Querführung der Holzklötzchen auf dünnen Stangen (Velo-Speichen) ausgeschaltet (wird nicht simuliert). Die Klötzchen können sich nur quer verschieben, sich aber nicht (im Uhrzeigersinn) drehen, wenn sie die Kraft F schrittweise nach links weiter geben. Jedes Klötzchen ist relativ zu seinem Nachbar gleich weit verschoben. Das zeigt, dass F eine über die Balkenlänge konstante Belastung ist (s.auch Abb.1), die folglich an jeder Stelle die gleiche Scherung erzeugt.
Abb.4 Scher-Verformung eines links eingespannten Krag-Balkens, Experiment mit Federn zwischen diskreten 2.4 Vergleich der experimentellen Ergebnisse ↑ Anfang2.4.1 Vergleich der Messergebnisse
Dass im Scher-Experiment im Vergleich zum Biege-Experiment bei sogar etwa 9,2-facher Last F (10,1N/1,1N ≙ 1010g/110g) die Verschiebung w nur etwa 38% (21mm/50mm) ist, zeigt die Berechtigung, dass die Scherkraft-/"Querkraft"-Beanspruchung eines schlanken Balkens im Vergleich zu seiner Biegebeanspruchung im Allgemeinen vernachlässigt werden darf. 2.4.2 Vergleich der Ergebnisse unter Beachtung der Federraten
Die Verwendung von zwei Federn an jeder Schnittstelle im Biege-Experiment war eine praktische Notwendigkeit: je eine für die Zug- bzw. Druckseite im Balken. Im Scher-Experiment genügte wegen nur einer vorkommenden Spannungsrichtung auch nur eine Feder in jeder Schnittstelle. Aus praktischen (Beschaffungs-) Gründen wurden in beiden Fällen Federn mit gleicher Federrate verwendet. 3. Balkentheorie ↑ AnfangScheren kommt fast immer gemeinsam mit Biegen vor, weil ein Balken i.d.R. mit einer quer zu seiner Achse wirkenden Kraft verbogen wird (Abb.5, links). Wegen dieser "Normalität" wird wie in der Praxis auch in der Balkentheorie meistens nicht darauf eingegangen, aber auch unterschlagen, dass es somit fast immer - wenn auch in unbedeutetem Maße - vorhanden ist. Erst bei intensiverem Literaturstudium findet man Genaueres, nämlich die Begriffspaare Querkraftbiegung und reine Biegung. Bei Letzerer ist die Belastung ausschließlich ein Biegemoment (Abb.5, rechts), Scheren kann nicht übergangen werden, da es nicht auftritt.
Abb.5 Biegebeanspruchung eines Balkens
Ich werde auf die reine Biegung nicht weiter eingehen (nur diese Bemerkung: Die Biegelinie ist kreisförmig). Bei der Querkraftbiegung werde ich Biegen und Scheren getrennt voneinander behandeln. Einerseits folge ich den oben getrennt vorgenommenen Experimenten, andererseits kann ich beide Effekte am Ende überlagern (superpositionieren), da sie als voneinander unabhängig betrachtbar sind.
Meine balkentheoretischen Bemühungen sollen 3.1 Biegen ↑ AnfangQuantitatives Arbeitsziel ist die Biegung w des Kragbalkens als Funktion der an seinem Ende wirkenden Kraft F. <<< Abb.6 Gebogenes Balkenstück 3.1.1 Balken als Stapel dünner elastischer BänderDer Balken lässt sich als Stapel aus differentiell dünnen Längsbändern der Breite b (= Balkenbreite, Anmerkung 1) auffassen. Beim Biegen um eine horizontale Achse werden die Bänder im Bogen-Außenteil gedehnt (Zugspannung in ihnen erzeugt) und die im -Innenteil gestaucht (Druckspannung in ihnen erzeugt). In Abb.6 ist unmaßstäblich ein differentiell kurzes (α << 1) gebogenes Balkenstück dargestellt. 3.1.2 Dehnung und KrümmungIm gebogenem, differentiell kurzem Balkenstück ist eine Beziehung zwischen den Dehnungen/Stauchungen und der Krümmung herzustellen. Die ursprünglich von Jacob Bernoulli (1655 - 1705) formulierten, in guter Nöherung gültigen Annahmen, dass rechtwinklig quer liegende Ebenen beim Biegen eines schlanken Balkens (Länge >> Querabmessungen) eben und rechtwinklig zur Balkenachse bleiben, sind in Abb.6 berücksichtigt.
Die relative Dehnung ε des Bands mit der Höhen-Koordinate z ist: 3.1.3 Spannungen und KrümmungMit Hilfe des Hooke'schen Gesetzes (Robert Hooke: 1635 - 1703) ist von den DehnungenDehnungen/Stauchungen zu den Spannungen in den Balkenbändern zu finden.<<< Abb.7 lineare Verteilung der Spannung über der Balkenhöhe
Mit dem Hooke'sches Gesetz (Anmerkung 2): Diese Gleichung zeigt die lineare Verteilung der Spannung über der Balkenhöhe (z-Koordinate, Abb.7). Ihre Steigung 1 / ρ0 enthält den für die Beschreibung der Biegung gesuchten Krümmungsradius ρ0. Um ihn aus Gl. (3) zu erhalten, ist die Größe der Spannung σ(z) zu ermitteln. 3.1.4 Schwerpunkt der Schnittfläche und Nullpunkt der Koordinate z
Zunächst wird noch der Nachweis erbracht, dass es richtig war, den Nullpunkt der Koordinate z in der Mitte der Balkenhöhe anzubringen (Abb.6): 3.1.5 Biegemoment und Krümmung
<<< Abb.8 Spannung dσ eines Längsbandes und dessen Abstand z
Die Teilmomente dM' = b·dσ(z)·z jedes Längsbandes ergeben aufsummiert (Integral-Bildung) das Reaktionsmoment zum von außen angelegten Moment M: Einschub: 3.1.6 Biegelinie und biegende Kraft am Balkenende
Der Kehrwert des Krümmungsradius ist die zweite Ableitung nach x der Ausbiegung (Biegelinie) w des Balkens: 3.1.7 Durchbiegung am Ort der biegenden KraftAm freien Ende (x=0) des Kragbalkens beträgt die Durchbiegung:w = F·L3 / (3·E·Jy) . 3.2 Scheren ↑ AnfangQuantitatives Arbeitsziel ist die Scherung s des Kragbalkens als Funktion der an seinem Ende wirkenden Kraft F. 3.2.1 Balken aus elastisch quer verschieblichern dünnen Schichten, Gleitwinkel und SchubspannungIm Gegensatz zur reinen Biegung gibt es die reine Scherbeanspruchung des Balkens nicht. Der Hebelarm (anschaulich: der Spalt zwischen den Messern einer Schere) müsste verschwinden können, damit eine Querkraft nicht immer auch den Balken verbiegt (Anmerkung 4). Die in Abb.9 dargestellte Scherverformung eines kurzen Kragbalkens zu einem Körper mit Parallelogramm-Umriss ist lediglich gedanklich postuliert. Der eingezeichnete sogenannte Gleitwinkel γ ist eine formale, nicht messbare geometrische Größe.
Die Querkraft F bewirkt (neben dem Biegen des Balkens) gegenseitiges elastisches Verschieben gedachter benachbarter dünner Querschnitt-Scheiben oder übereinander liegender Längsscheiben des Balkens und Erzeugen von Scher- oder Schubspannungen τ zwischen ihnen (Anmerkung 5). 3.2.2 Gleitwinkel, Schubspannung und Gleitmodul
Der Gleitwinkel γ und die Schubspannung τ sind mittels der Materialkenngröße Gleitmodul G, die sich aus dem sogenannten rechnerisch verallgemeinerten Hooke'schen Gesetz ergibt, miteinander verknüpft (Anmerkung 6): <<< Abb.11 Schubspannung τ in der Balkenschnittfläche A 3.2.3 Schubspannung und Querkraft
Über die Balkenbreite ist die Schubspannung τ in guter Näherung konstant, über die Balkenhöhe ist sie parabelförmig verteilt (an den Rändern Null, in der Mitte maximal, Anmerkung 7). Sie zeigt in z-Richtung entgegen der äußeren Querkraft F. Im Folgenden wird in grober Näherung mit über die Fläche A gleichmässig verteilter mittlerer Schubspannung τm als Quotient aus Querkraft F und Fläche A gerechnet: 3.2.4 Querkraft und Querverschiebung
Die Querverschiebung s wird mit folgender Beziehung ausgedrückt (Abb.11): 3.2.5 Querverschiebung und scherende Kraft am Balkenende
Die auf Δl bezogene Querverschiebung ist über die Balkenlänge konstant. Am Balkenende ist: 3.3 Vergleich der theoretischen Ergebnisse ↑ AnfangFür den Balken mit rechteckigem Querschnitt b·h sind
Durchbiegung w und Querverschiebung s am freien Ende des Kragbalkens sind:
Zwischen den Materialkonstanten (für Eisen) besteht das Verhältnis:
Das Verhältnis zwischen Durchbiegung und Querverschiebung ist:
Für L / h = 3,65 (entspricht Experiment-Vorgaben) verhalten sich die Verschiebungen aus Scherung und Biegung in grober Näherung wie 1 zu 20,5 4. Schlussbemerkung ↑ AnfangDass ich fast gleiche Werte (16,9 bzw. 17,1) für das Verhältnis der Biege- zu den Scher-Verschiebungen aus Experimenten und Balkentheorie erhielt, ist erstaunlich. Primäres und erreichtes Ziel war aber, die Größenordnung des Verhältnisses einerseits balkentheoretisch, andererseits auch experimentell zu ermitteln. 5. Anmerkungen ↑ Anfang
Anmerkung 1:
Anmerkung 2:
Anmerkung 3:
Anmerkung 4:
Anmerkung 5:
Anmerkung 6:
<<< Abb.12 Gummistreifen (30mmx14mm)
Anmerkung 7:
Anmerkung 8: Siegfried Wetzel, CH 3400 Burgdorf, Apr. 2016 (Jan.20, Febr.23)
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