<< Home Die Zeitgleichung für Nicht-Astronomen(DGC-Mitteilungen Nr. 111, Herbst 2007) Inhalt1. Einleitung2. Ein mechanisches Modell der kosmischen Uhr 3. Vorgehen 4. Heliozentrische Betrachtung 4.1 Die mittlere Anomalie 4.2 Die Kepler-Gleichung 5. Übergang zu geozentrischer Betrachtung 6. Geozentrische Betrachtung, Zeitgleichung 7. Die Zeitgleichung über ein Jahr (mit Rechenbeispielen) 8. Vergleich mit vereinfachenden Betrachtungen 9. Literatur 10. Anhänge: Anhang 1 Anhang 2 Anhang 3 Anhang 4 Anhang 5 Anhang 6 11. Nachtrag 2024 11.1 Jahreskonstanten bzw. Basiswerte 11.2 Wann welche Zeitgleichung? 1. Einleitung ↑ AnfangDie Zeitgleichung ist ein astronomisches Problem, das schon
Hipparch behandelt hat und im Almagest ziemlich genau und bündig angesprochen ist [6]. Erst im 17.Jahrhundert wurde wieder darüber gearbeitet. Es war der Engländer John Flamsteed, der damit bekannt wurde und zu Ehren kam, indem ihm die Errichtung und Leitung des Observatoriums in Greenwich anvertraut wurde.
In einer älteren Arbeit [2] habe ich mich "elementar" mit der Zeitgleichung befasst. Die Kepler-Gleichumg kommt dabei gar nicht zur Anwendung, sondern die Zeitgleichung wird als Summe von zwei Sinus-Funktionen, die je die Wirkung einer der beiden Zeitgleichungsursachen beschreiben, zusammengesetzt. Dabei wird zudem noch vernachlässigt, dass beide Ursachen, wenn auch nur schwach, nicht voneinander unabhängig sind. 2. Ein mechanisches Modell der kosmischen Uhr ↑ AnfangUnsere mechanischen Uhren und Kalendarien sind Nachbildungen der grossen kosmischen Uhr mit der Sonne als Zeiger. Menschen der Moderne sind mechanische Uhren als "Zeitmacher" [3] inzwischen viel vertrauter als die (scheinbaren) Bewegungen der Sonne. Deshalb seien die kosmischen Verhältnisse einmal umgekehrt mit Hilfe einer solchen Uhr erklärt. << Abb.1 Eine Äquationsuhr mit zwei Antrieben bzw. Eine derartige Uhr (Abb.1) hat zwei Antriebe, die gemeinsam über ein Additionsgetriebe (Umlaufrädergetriebe, Differentialgetriebe) für die Drehung des Stundenzeigers auf einem 24-Stunden-Ziffernblatt ("Grosse" Uhr) sorgen. Der schnellere (Tagestrieb, rechts in der Abbildung) dreht sich um 359° pro 24h. Er repräsentiert den Sternentag (die Erde macht dabei eine 360°-Umdrehung, für den Sonnentag muss sie sich aber etwas weiter drehen). Der langsamere Antrieb (Jahrestrieb, links) macht 1 Umdrehung in 365 Tagen (also 1° pro 24h in etwa, er repräsentiert die Bahnfahrt der Erde um die Sonne mit einmal pro Jahr). Im Getriebe werden die Drehungen beider Antriebe addiert (eine weniger bekannte Anwendung des bekannten Differentialgetriebes) mit dem Ergebnis 360° Umdrehung des Uhrzeigers rechts oben in 24h. Die Trennung in zwei Antriebe für die Uhr, macht es möglich, den Einfluss der ungleichmäßig verlaufende Bahnfahrt der Erde (erste Ursache der Zeitgleichung) auf die Schwankung der Tageslänge zu zeigen, sie gegenüber der gleichmäßigen Drehung der Erde um sich selbst, der sie überlagert ist, herauszustellen.Der Jahrestrieb des Modells hat für die Simulierung des Einflusses der ungleichmäßig verlaufende Bahnfahrt ein vorgeschaltetes Getriebe mit periodischem Übersetzungsfehler (Kreuzgelenk K1). Der Einfluss der schiefen Position der Drehachse der Erde auf der Ebene Ihrer Bahnfahrt um die Sonne (zweite Zeitgleichungsursache) hat mit der Ungleichmäßigkeit der Banhnfahrt an sich nichts zu tun. Das entsprechende Getriebe mit ebenfalls einem periodischen Übersetzungsfehler (Kreuzgelenk K2)zum Simulieren dieses Einflusses könnte jedem der beiden Antriebe vorgeschaltet werden. Gewählt ist, es als zweites dem ersten im Jahresantrieb vorzuschalten (beide in Reihe nacheinander). Ergebnis ist eine die Wahre Sonnenzeit anzeigende, sogenannte Äquationsuhr. Im Anhang 1 ist die Konstruktion des Jahrestriebs von Abb.1 näher erläutert. Die Reihenschaltung zweier Getriebe mit periodischem Übersetzungsfehlern passt zu einer angenäherten Zeitgleichung, die lediglich durch Superposition von zwei periodischen Ausdrücker besteht [2]. 3. Vorgehen ↑ AnfangZum Verständnis der Zusammenhänge, die zur Zeitgleichung führen, muss vom heliozentrischen Weltbild ausgegangen werden. Bei geozentrischer Betrachtung ist die erste Ursache der Zeitgleichung, nämlich die Bahnfahrt der Erde auf einer Ellipse nicht erkennbar und quantitativ nicht beschreibbar. Mit Hilfe der Kepler-Gleichung ist die Zeitfunktion des Ortes der Erde auf ihrer Bahn, die sogenannte wahre Anomalie (eine von Kepler eigeführte Größe) zu gewinnen. Letztere kann nach dem Wechsel zu geozentrischer Betrachtung als ekliptikale Länge der Sonne in Abhängigkeit von der Zeit gedeutet werden. Der Systemwechsel bedeutet nämlich, dass die Sonne an die Stelle der Erde tritt. Bei der Beobachtung der ekliptikalen Bewegung der Sonne von der Erde aus stört deren Drehung (Tagestrieb). Man muss sich die Drehung der Erde auf 1U/Jahr reduziert denken oder sich gedanklich als Mitfahrer im drehenden Koordinatensystem der Ekliptik empfinden. Der ekliptikalen Länge der Sonne entspricht im ebenfalls drehenden Koordinatensystem des Äquators ihre Rektaszension α(t), die die Wahre Sonnen- oder Ortszeit repräsentiert (bei der Vorstellung 1U/Jahr der Erde sind diese beiden Koordinatensysteme Erd-fest.). Sie ist der Subtrahend in der Zeitgleichung, die wie folgt definiert ist: (1) ZG(t) = (4 min/°)·(αM(t) - α(t)) [1]. Der Minuend ist αM(t), die Rektaszension einer gedachten,
gleichmässig übers Jahr auf dem Äquator umlaufenden Vergleichs-Sonne (sogenannte
mittlere Sonne mit mittlerer Rektaszension), die die Mittlere Sonnen- oder Ortszeit repräsentiert.
Bei einer Winkel-Differenz (α M - α) von 2π beziehungsweise 360° hätte die Zeitgleichung
einen Wert von 24 Stunden. 1° entspricht somit 4 Minuten. Die Definition mit Ortszeiten ist ZG = WOZ – MOZ. Die Vorzeichen-Umkehr gegenüber Gl. (1) (αM entspricht der mittleren Ortszeit MOZ, α der wahren WOZ) kommt von der unterschiedlichen Richtungswahl für Rektaszension α und Stundenwinkel τ (Maß für Ortszeiten). Die ursprüngliche Definition enthielt die umgekehrte Differenz und lautete ZG = MOZ – WOZ.
Darin ist die mittelalterliche Bedeutung vom heute noch gebrauchten
Wortteil “-Gleichung” als “eine Korrektur zufügen” zu erkennen.
Man hatte der wahren Sonnenzeit die Differenz zur mittleren Sonnenzeit hinzuzufügen, um zu letzterer zu
gelangen: 4. Heliozentrische Betrachtung ↑ AnfangJahrestrieb der kosmischen Uhr sei vorerst nur die elliptische Bahnfahrt der Erde als erste Ursache der Zeitgleichung. Der Einfluss ihrer speziellen Lage der Erdachse (zweite Ursache) wird später berücksichtigt. Mittelpunkt der Ellipse ist 0 (Abb.2). In einem ihrer beiden Brennpunkte B befindet sich die Sonne. Perihel P und Aphel A sind die Scheitelpunkte der Bahnellipse. X ist der Ort der Erde in einem bestimmten Moment t, ausgedrückt durch den Winkel wahre Anomalie V(t). 4.1 Die mittlere Anomalie ↑ AnfangEine fiktive sogenannte mittlere Erde (Pendant zu einer sogenannten mittleren Sonne) befinde sich bei Y, was mit dem mittlere Anomalie genannten Winkel M(t) angegeben werden kann: (2) M(t) = (2π/Jan) (t-tP). Der Winkel M(t) ist "eine normalisierte Zeit" [9]. Seine gleichmäßige Vergrößerung macht in einer graphischen Darstellung (Abb.2) den gleichmässigen Ablauf der Zeit sichtbar. Y ist somit die Spitze eines gleichmässig drehenden Zeigers (Vektors). Dieser dient für den Ortsvergleich mit dem mit der wahren Erde X verbundenen Vektor, der nicht gleichmässig dreht. Die Drehung am Eingang des Jahrestriebs (Abb.1) ist wie M(t) gleichmässig. Aus konstruktiven Gründen (Anhang 1) ist die Winkelgeschwindigkeit der Eingangs-Welle aber vorerst halbiert. Die Perihel-Passage der Erde ist als Beginn des anomalistischen Jahres Jan definiert. Auf den entsprechenden Zeitpunkt tP bezieht sich auch die mittlere Anomalie: Die fiktive mittlere Erde passiert das Perihel P praktischerweise zur gleichen Zeit, und gemäß zweitem Keplerschen Gesetz treffen sich beide Erden dann auch im Aphel A. Dass die mittlere Anomalie M eine lineare Funktion der Zeit t ist, wird mit dem geraden Graph in Abb.2, links unten angedeutet. Bei der Zeitgleichung ist der etwa 3 Tage vor der Perihel-Passage liegende 1. Januar (12:00 Greenwich Time) als tK zeitlicher Bezugspunkt. In die Gleichung (2) ist der konstante Winkelwert M0 (repräsentiert tK-tP) einzufügen: (2a) M(t) = M0 + (2π/Jan) (t-tK). M0 ist negativ und eine Jahreskonstante, hat also jedes Jahr - vor allem aber in den vier aufeinander folgenden Jahren einer Schaltperiode - einen anderen Wert. Die M0-Veränderlichkeit ist grundsätzlich nur von Bedeutung, wenn man die mit guter Näherung "zeitlos" gültige Zeitgleichung später mit zum Jahr innerhalb des Schaltrhythmus passendem und mit evtl. aktuell genauerem Wert (zusammen mit aktuell besseren Werten anderer Jahreskonstanten) mit der aktuell besten Genauigkeit erneut starten will. Die in Astronomischen Jahrbüchern jährlich neu veröffentlichten Zeitgleichungstabellen sind das Ergebnis solchen Vorgehens. 4.2 Die Kepler-Gleichung ↑ Anfang<< Abb.2 Erdbahn-Ellipse Der Zusammenhang zwischen wahrer V(t) und mittlerer M(t) Anomalie wird nach einem Zwischenschritt erkennbar, nämlich nach der Einschaltung der Kepler-Gleichung, der von Kepler selbst vorgenommenen mathematischen Formulierung seines 2. Gesetzes (das 1. Gesetz postuliert die Ellipsenform der Bahnen der Himmelskörper und ist bereits vorgegebene Bedingung): (3) M(t) = E(t) – e·sin E(t) (Anhang 2). Dabei ist die Zwischengröße E ebenfalls eine Anomalie (mit der Zeit veränderlicher Winkel), nämlich die exzentrische. Man beachte, dass sich der Scheitel ihres Winkels im Zentrum 0 der Ellipse befindet (Abb.n 2 und 8), sie aber von Kepler exzentrische Anomalie genannt wurde. Gleichung (3) nach E(t) aufzulösen, ist in geschlossener Form nicht möglich. Es gelingt aber z.B. mit Hilfe des bekannten Newton'schen Näherungsverfahrens, das jener für diesen Zweck erfand, und das zu einem wichtigen Verfahren der numerischen Mathematik wurde. V(t) in Abhängigkeit von E(t) ist dagegen ein einfacher geometrischer Zusammenhang innerhalb der Ellipse, wobei vom Mittel- (O) zum Brennpunkt (B) zurück gekehrt wird: (4) tan(V(t)/2)= κ·tan(E(t)/2) (Anhang 3). κ ist eine Ellipsen-Konstante, ausgedrückt mit der relativen (numerischen) Exzentrizität e der Ellipse: κ = ((1+e)/(1-e))1/2 Der Graph V(t) deckt sich erwartungsgemäss nicht mit dem Graph M(t) (Abb.2, links unten). Die erste Ursache der Zeitgleichung ist nunmehr erfasst. 5. Übergang zu geozentrischer Betrachtung (Abb.3) ↑ AnfangAbb.3 zeigt, was jeweils ein Sonnen- und ein Erdbewohner sehen kann. Die Beobachtungen beginnen beim Periheldurchgang der Erde. Von der Sonne aus sieht man die Erden nach links laufen, den Gegenpunkt (F) zum Widderpunkt passieren und die Orte Y und X zum Zeitpunkt t erreichen. Der bis X überstrichene Winkel ist V = (Λ) - (L) (Abb.2, (L) hat negativen Wert). Der Erdenbewohner sieht (bei 1U/Jahr der Erde um ihre Achse) die gleiche Bewegung, nur sind ihr anstatt der Erden X und Y die Sonnen S und S' (wahre und fiktive mittlere Sonne) unterworfen. Diese laufen ebenfalls nach links und über F (Frühlings- gleich Widderpunkt) hinaus bis zu den Punkten S' und S, die sie im Zeitpunkt t einnehmen. Die Winkelvergrösserung bis S ist wieder Λ - L. Die mit V = (Λ) - (L) bereits vorgenommene veränderte Wahl des Nullpunktes von P nach (F) entspricht dem astronomischen Brauch, als Nullpunkt im geozentrischen System den Frühlingspunkt F zu wählen. Damit ist die eklipikale Länge Λ der wahren Sonne: (5) Λ(t) = V(t) + L(t).
<< Abb.3 Erdbahn-Ellipse und Sonnenbahn-Ekliptik Die Drehung V(t) bzw. Λ(t) wird vom kleineren Zahnrad in der Mitte des Jahrestriebs (Abb.1: Stufe 1/2) nachgebildet. V(t) kommt aus Gleichung (4). L(t) ist die ekliptikale Länge des Perihels, deren schwache Änderung permanent berücksichtigt wird. Das Perihel nähert sich dem Punkt (F) mit (6) L(t) = L0 + (pf/Jtr)·(t-tP), wobei L0 die Jahreskonstante ist. Das Zusammenrücken beträgt ca. 0,0172°/Jtr. Es wird von der Drehung der Apsidenlinie der Erdbahn verursacht. Deshalb ist das tropische Jahr Jtr etwas kürzer als das anomalistische Jan. Beide Jahrlängen sind in der Konstante pf wie folgt enthalten: pf = 2π(1 - Jtr/Jan).
Ohne sofortige Berücksichtigung des Zusammenrückens, d.h. mit In Abb.3 ist die Sonnenbahn ausdrücklich als Kreis gezeichnet. Es handelt sich um die Ekliptik (s. auch Abb.4). Die drehenden Vektoren haben ihre Spitzen jetzt bei S und S'. 6. Geozentrische Betrachtung, Zeitgleichung (Abb.4) ↑ AnfangDer "Ablauf" der Tageszeit wird hauptsächlich durch die Eigendrehung der Erde (Tagestrieb) verursacht, die auf dem Himmels-Äquator messbar ist, weshalb auch in der Zeitgleichung Bahnstücke auf dem Himmels-Äquator zu verrechnen sind. Von den beiden poraren Koordinaten der Sonne interessiert nur die Rektaszension α, nicht die Deklination (Höhenwinkel δ). Wegen der Winkellage (ε) zwischen Äquator- und Ekliptik-Ebene (die zweite Ursache der Zeitgleichung) ist die Übertragung der ekliptikalen Länge Λ der wahren Sonne auf ihre äquatoriale Rektaszension übers Jahr unterschiedlich.
<< Abb.4 Ekliptik und Himmels-Äquator Die wahre Sonne wird von der Ekliptik zum Punkt Sä auf den Äquator "herunter geholt". Vom Punkt Sä wird jetzt ein Vektor in der Äquatorebene bewegt ( Anhang 4 ). Seiner doppelt ungleichmässigen (ungleichmässige Bewegung der wahren Sonne auf der Ekliptik, die ungleichmässig in seine Bewegung auf dem Äquator umgewandelt wird) entspricht schliesslich die Drehung der Ausgangs-Welle im Jahrestrieb (Abb.1). Beigesellt ist in Abb.4 der Vergleichsvektor, der zu einer weiteren, einer zweiten mittleren Sonne, dem fiktiven Punkt S'' zeigt. Die Umrechnung zwischen ekliptikalen und äquatorialen Koordinaten ist z.B. mit den bekannten Transformations-Gleichungen oder mit folgender einfachen Beziehung im rechtwinkligen sphärischen Dreieck Sonne/Sä/F möglich: (7) α(t) = arctan ( tan Λ(t) · cos ε ). Gleichung (7) liefert den Subtrahend von (1). Der Minuend αM(t) ist die Rektaszension der Bezugs-Sonne S'', die auf dem Äquator gleichmässig umläuft: (8) αM(t) = α0 + (2π / Jtr) (t-tK). Die Wahl der Konstanten α0 ist im Prinzip frei, jedoch sollte die mittlere Sonne S'' möglichst eng an die wahre Sonne S gekoppelt sein. Das wird gut erreicht, wenn man sich die mittlere Sonne S'' mit der mittleren Sonne S' im Frühlingspunkt F treffen lässt [1]. Beide Bögen vom Punkt bei t=tK bis zum F-Punkt sind wegen der gleichmäßigen Bewegung beider Vergleichssonnen gleich groß. Ihr Wert ist α0 = M0 + L0 (s. Abb.3, die Änderung von L in diesem Zeitraum wird vernachlässigt), und aus (8) wird:(9) αM(t) = M0+ L0 + (2π / Jtr) (t-tK) mit αM(t=tK)=α0=M0+L0. Zur Erinnerung: M0 und L0 haben negative Werte. Die zweite Ursache der Zeitgleichung ist jetzt auch erfasst. Nachdem die Gleichungen (7) und mit (9) in Gleichung (1) eingesetzt worden sind, ist die Zeitgleichung in der gewünschten Strenge gefunden. << Abb.5 Zeitgleichung als Graph Die Einführung der fiktiven Sonne S'' war aus anschaulichen Gründen nötig, um Bahnstücke auf dem Himmels-Äquator gegeneinander verrechnen zu können, wie oben (Anfang des Abschnitts) gefordert wurde. Es zeigt sich aber, dass die Rechnung formal auch richtig ist, wenn man die Bewegung der fiktiven Sonne S' zum Vergleich heran zieht. Beide Sonnen passieren gemäß Vorgabe den Frühlingspunkt gleichzeitig, und als Repräsentanten des gleichmäßigen Ablaufs der Zeit sind ihre Bewegungsgeschwindigkeiten grundsätzlich gleich groß. Es spielt wertmäßig keine Rolle, dass beide Sonnen auf unterschiedlichen Bahnen (S' auf der Ekliptik, S'' auf dem Äquator) laufen und ihre momentanen Winkel verschiedene Namen (ekliptikale Länge für S', Rektaszension für S'') haben. Dieser eigentlich leicht einsichtige Zusammenhang wird dennoch im Anhang 5 nochmals formal hergeleitet, indem durch Gegenüberstellen bisher verwendeter Gleichungen die Aussage gewonnen wird, dass die Rektaszension der mittleren Sonne S'' zu jeder Zeit gleich der ekliptikalen Länge der mittleren Sonne S' ist, die die mittlere Anomalie M(t) repräsentiert [1] (im Original Rektaszension der mittleren Sonne und ekliptische Länge des Punktes Y).
Für die Zeitgleichung, um die es letztlich geht, ist in der Literatur folgende
kuzgefasste Aussage zu finden: 7. Die Zeitgleichung über ein Jahr und mehr (mit Rechenbeispielen) ↑ AnfangDie Graphen von Minuend und Subtrahend der Zeitgleichung sind wie die beiden Linien in Abb.2 (links unten) stetig ansteigend, was schon auf den ersten Blick nicht auf eine Jahres-Periodizität hinweist. In der Gleichung ist t-tk in Tagen einzusetzen. Sie beginnt im Zeitpunkt t=tk am 1.Januar 12h mittags in dem Jahr, dessen Jahres-Konstanten M0 und L0 in ihr enthalten sind, und kann viele Jahre lang benutzt werden. << Abb.6 Sonnenuhr in Chur/CH Der Zeitpunkt t-tk = 364 (365 in einem Schaltjahr) ist der Mittag des 31. Dezember im ersten Jahr, t-tk = 365 (366) ist der 1. Januar des nächsten Jahres usw. Man kann die Gleichung für jeden (t-tk)-Wert, also über Jahre hinweg benutzen. Die in den Abbildungen 5 und 6 in Näherung erkennbare Periodizität ist aber streng weder ans tropische Jahr Jtr noch ans anomalistische Jan gebunden. Wegen der Annäherung zwischen Frühlingspunkt und Perihel ändert sich die Kurvenform auch langfristig. Innerhalb einer Schaltjahrperiode sind die Werte von Kalenderjahr zu Kalenderjahr auf der Zeitachse 3 mal ca.1/4Tag vor-, am Ende ca.3/4Tag zurück verschoben, was mit der Jahreskonstante Mo erzeugt wird, wenn man für jedes der vier Jahre eine separate Rechnung anstellt. Im fünften Jahr ist die Kurve der vom ersten Jahr gleich, wenn M0 nicht auf Grund neuester Messungen korrigiert wurde. Für wissenschaftlich/technische Anwendungen der Zeitgleichung, wozu ihr Gebrauch bei der Sonnenuhr nicht zählt, wird sie noch genauer als hier beschrieben berechnet. Die erste höheren Stufe ist die Ermittlung einer neuen Gleichung ab 1.Januar des nächsten Jahres mit Hilfe anderer Jahres-Konstanten M0 und L0 und sich sehr langsam ändernden Werten für Jahreslängen Jtr und Jan , relative (numerische) Exzentrizität e der Erde und Schiefe der Ekliptik ε [1]. Dabei können die auf astronomischen Messungen beruhenden Prognosen in der Zwischenzeit verbessert worden sein (gilt auch für M0 und L0). RechenbeispieleZu berechnen ist die Zeitgleichung für 1.November 2014, 12:00 UT (t'= (t-tK) = 305 Tage) und 2.April 2015 (t' = 456 Tage) Diesjährige (Jahr 2014) Basis-Werte [1]: Zwischenrechnungen:
Ergebnisse: 8. Vergleich mit vereinfachenden Betrachtungen↑ Anfangerste Ursache (elliptische Erdbahn): Die ungleiche Bahngeschwindigkeit der Erde, beschrieben mit dem zweiten Kepler'schen Gesetz wird mit der Kepler'schen Gleichung (3) berücksichtigt, die in die Gleichung (4) für die wahre Anomalie der Erde eingeht. Die Zeitgleichung hätte folgende Gestalt, wenn die Sonne auf dem Himmels-Äquator umliefe, nur die elliptische Form der tatsächlichen Erdbahn zu berücksichtigen wäre. << Abb.7 Zeitgleichung, getrennt in 2 Teil-Graphen ZG1(t) = (4 min/°)·(M(t) – V(t)) (Abb.7). Dieser mit dem anomalistischem Jahr periodische Ausdruck hat seine Nullstellen in Perihel (P) und Aphel (A). Er ähnelt z.B. ZG1 in [2]. Die Amplitude ist hier 7,66min, dort 7,65min. zweite Ursache (Neigung der Erdachse): Aus der wahren Anomalie der Erde wird mit Gleichung (5) die zugehörende ekliptikale Länge der wahren Sonne bestimmt. Die Bewertung des Ortes der wahren Sonne hat aber in Bezug auf den Himmelsäquator zu geschehen (Abschnitt 6, 1. Absatz). Mit Gleichung (7) wird die wahre Sonne auf den Äquator "herunter geholt", indem ihre Rektaszension bestimmt wird. Die Zeitgleichung hätte folgende Form, wenn die Erdbahn ein Kreis wäre, nur die Neigung der Erdachse berücksichtigt werden müsste. ZG2(t) = (4 min/°)·(αM(t) - αS'(t)) (Abb.7). αS'(t)ist die Rektaszension der ersten mittleren Sonne S'. Sie wird durch Einsetzen von M(t) an Stelle von V(t) in Gleichung (5) (mit L(t)=Lo) und Weiterrechnen mit Gleichung (7) ermittelt. Der mit dem halben tropischen Jahr periodische Ausdruck ZG2 hat seine Nullstellen annähernd in den Solstitien (W und S) und in den Äquinoktien (F und H). Er ähnelt z.B. ZG2 in [2]. Seine Amplitude ist hier 9,86min, dort 9,83min. Analog dem Vorgehen in [2] lassen sich auch die beiden Graphen aus Abb.7 addieren und eine Annäherung an den Graphen von Abb.5 finden (Anhang 6). 9. Literatur ↑ Anfang
[1] Deutsche Gesellschaft für Chronometrie: "Sonnenuhren Handbuch", 2006 10. Anhänge ↑ AnfangAnhang 1: Oszillierender Jahrestrieb (Abb.1) ↑ zurück Konstruktionsvorschlag, von einem gleichförmigen Antrieb (Motor) ausgehend: κ1: Amplitude der Schwankung = 7,65min ( · 1°/4min = 1,91°) >> κ1 = 20,7° κ2: Amplitude der Schwankung = 9,83min ( · 1°/4min = 2,46°) >> κ2 = 23,5° Der durch Achs-Knickung entstehende periodische Übersetzungsfehler hat gegenüber der Achsendrehung doppelte Frequenz. Weil die Folge aus der 1.Ursache in der Zeitgleichung einfache Jahres-Frequenz hat, wird mit halber Antriebsdrehzahl begonnen und nach dem 1.Kreuzgeklenk eine 2:1-Übersetzung (ins Schnelle) eingeschoben. Die Folge aus der 2.Ursache hat doppelte Jahresfrequenz, wozu die Fehlerfrequenz des folgenden 2.Kreuzgelenkes jetzt passend ist. Die Knickung ist bei beiden Gelenken gleichsinnig, wodurch sich die Fehler addieren. Wegen der Zeitdifferenz zwischen Perihel- und Wintersolstitium-Durchgang der Erde befinden sich aber die beiden Gelenk-Knicke nicht genau in derselben Ebene. Anhang 2: Kepler'sche Gleichung (Abb.8) ↑ zurück Die Kepler'sche Gleichung (3) verknüpft die beiden Anomalien E und M miteinander, bzw. führt zu einer Funktion E(t). In Abb.8 sind die Verhältnisse im Unterschied zu Abb.2 auf die große Halbachse der Ellipse normiert (große Halbachse und Umkreisradius = 1).Die Gleichung (3) ist wie folgt zu finden:
<< Abb.8 Ellipse mit Umkreis
Bei der Bewegung der Erde von P nach X überstreicht der Fahrstrahl B→X die Fläche XBP. Ihr entspricht auf dem Umkreis die Fläche ZBP, die mit der exzentrischen Anomalie E (ein Winkel) und der numerischen Exzentrizität e (eine Strecke) ausdrückbar ist:
Mit FZ0P = (a2/2) E (ein Kreissektor) und
Die vom Fahrstrahl B→P überstrichene Fläche FXBP ist um den Stauchungsfaktor b/a Gemäss zweitem Kepler'schem Gesetz sind die Verhältnisse zwischen überfahrenen Flächen und zwischen den dazu benötigten Zeiten gleich. FXBP / FEllipse = (t-tP) / Jan. Mit FEllipse = abπ und den vorstehenden Beziehungen entsteht(2π/Jan) (t-tP) = E - e sinE .
Die linke Seite ist die normalisierte Zeit [9], die Kepler den Winkel mittlere Anomalie M(t) (s. Gl.(2)) genannt hat. (3) M(t) = E(t) – e·sin E(t), qed. Anhang 3: Von Anomalie E zu Anomalie V ↑ zurück Abb.9 Ellipse mit großer Halbachse = 1 und mit Umkreis >> Die Polargleichung einer Ellipse mit Einheits-Umkreis, mit B als Pol, BP als Polarachse und V als Parameter lautet bekanntlich [10]:
(10) r = (1-e2)/(1+e·cosV) ,
und in anderer Schreibweise: Weiter mit einer Fleissarbeit in mehreren Schritten:
Dreieck 0NZ: n-e = cos(π-E) = -cosE,
Mit den Identitäten (s. in einer Formelsammlung)
(16) sin2(V/2)/cos2(V/2) = ((1+e)/(1-e))(sin
2 (E/2)/cos2(E/2)), Unter Beachtung der Zeitabhängigkeit und mit κ für den Wurzelausdruck ist das Gleichung (4) tan(V(t)/2) = κ·tan(E(t)/2), qed. Anhang 4: Kinematische Analogie zwischen "Herunterholen der Sonne"und einem Kreuzgelenk ↑ zurück
↑ ↑ Abb.4a "Herunterholen der Sonne auf den Äquator"
Das "Herunterholen der Sonne" auf den Äquator" wird in der Äquationsuhr (Abb.1) vom Kreuzgelenk K2 simuliert.
Der Vergleich zeigt, dass für das Kreuzgelenk die Gleichung (7) auch gilt: Kreuzgelenk und Subsolarer Punkt: Anhang 5: ekliptikale Länge der mittleren Sonne S' gleich Rektaszension der mittleren Sonne S'' ↑ zurück Die Verwendung von S' als Vergleichszeiger erinnert an die heliozentrische Wirklichkeit. S' repräsentiert Y, die fiktive Erde, deren ekliptikale Länge aus Abb.2 ablesbar ist: (18) Λ(t)=L(t)+M(t). Die vorhergesagte Gleichheit von (18) und (9) wird von nachfolgender Kontrolle bestätigt: Mit den Gleichungen (6) und (2) wird Gleichung (18) zu (18a): (18a) Λ(t) = L0 + (pf/Jtr)·(t-tK) + M0 + (2π/Jan)·(t-tK). Mit pf = 2π(1 - Jtr/Jan) (s.5.) entsteht Gleichung (18b), die mit Gleichung (9) identisch ist: (18b) Λ(t) = L0 + M0 + (2π/Jtr)·(t-tK), qed. Anstatt (9) kann (18) als Minuend in Gleichung (1) verwendet werden, denn die ekliptikale Länge der mittleren Sonne S' ist zu jeder Zeit gleich der Rektaszension der mittleren Sonne S''. Anhang 6: ZG1+ZG2, Länge der Jahreszeiten ↑ zurück Die Summanden ZG1 und ZG2 in [2] sind als einfache sin-Funktionen Näherungen, während ZG1(t) und ZG2(t) (s.Abb.7) mit den genannten Annahmen exakt berechnet sind. Die Summe letzterer ist dennoch nur eine Näherung an die Zeitgleichung (aber besser als in [2]), vor allem weil in ZG 2(t) die Abhängigkeit der Jahreszeit-Längen von der elliptischen Form der Erdbahn und der Differenz zwischen Perihel und Wintersonnenwende nicht berücksichtigt ist. Alle vier Jahreszeiten sind verschieden lang, was folgende Rechnung zeigt: Setzt man in Gleichung (7) die α-Werte 0, (π/2), π, (3π/2) und 2π ein und rechnet zurück, so findet man für t-tk die Werte 78,8; 171,6; 265,2; 355 und 444 Tage (Jahr 2008/09). Das ergibt für die Jahreszeiten folgende Längen: 92,8 Frühlings-, 11. Nachtrag 202411.1 Jahreskonstanten bzw. BasiswerteBei der Beachtung der sich langsam verändernden Einsflüsse auf die Werte der Zeitgleichung wird auf sogenannte Jahreskonstanten bzw. Basiswerte zurückgegriffen. Um welche Größen es sich handelt, ist vor den Rechenbeispielen im Abschnitt 7. dargestellt. Anstatt deren Werte in jedem Jahr erneut aus der Literatur zu beschaffen, kann man sie den sogenannten Bahnelementen, die mindestens wärend eines Menschenalters nicht erneuert werden müssen, entnehmen bzw. sie mit diesen Funktionen der Zeit selbst berechnen. Die anzuwendenden Bahnelemente bzw. Funktionen der Zeit sind z.B. wie folgt formuliert [11, s. Anmerkung]:1. numerische Exzentrizität e = 0,016709 - (0,000042 / 36525) · t 2. Schiefe der Ekliptik in Grad ε = 23 + 26/60 + 21/3600 - (46,82/3600)·36525·t 3. Länge des Perigäums in Grad L = -77,06 + (1,7192/36525)·t 4. Zeit-Winkel in Grad αM = -79,5344 + (36000,7690/36525)·t Die Zeit t wird in Tagen ab 1. Januar 2000 12:00 (Koordinierte Weltzeit UTC) gezählt. Anmerkung: Zur Erleichterung des Vergleichs mit den bisher verwendeten Jahreskonstanten bzw. Basiswerten sind sie gegenüber der zitierten Quelle leicht umgestellt. Zudem werden durchgehend die oben benutzten Größensymbole verwendet.
Die Werte lassen sich grundsätzlich für jeden Tag eines Jahres berechnen. Bei e und ε sind die Änderungen mit der Zeit aber so klein
Die ekliptikale Länge des Perigums L ( in [11]) ändert sich übers Jahr deutlich, was üblicherweise und auch hier beachtet wird.
Mit der 4. Gleichung wird die vorgegebene, unabhängige Variable Zeit t in Winkelwerte für die tägliche Position einer ersten Vergleichsonne auf der Ekliptik bzw. in die Rektaszension αM (L in [11]) einer zweiten Vergleichssonne auf dem Himmelsäquator umgerechnet. Beide Winkelwerte werden vom Frühlingspunkt aus gerechnet (ihr Wert ist dort jeweils Null). 11.2 Wann welche Zeitgleichung?WIRD FORTGESETZTSiegfried Wetzel, CH 3400 Burgdorf, Dezember 2007 (Mär.11, Okt.13, Jan.14, Apr.14, Jul.24) ↑↑ Anfang |