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Kanonische Sonnenuhr und vertikale Spinnen-Sonnenuhr

(DGC-Mitteilungen Nr.113, 2008)

Inhalt

1. Einleitung
2. Beschreibung der Kanonischen Sonnenuhr
3. Der Alltag in einem Mittelalterlichen Kloster
4. Die Verschiebung der Kanonischen Stunden
5. Wie kam die Kanonische Sonnenuhr zu uns ?
6. Kanonische und vertikale Spinnen-Sonnenuhr
7. Über den Zweck der Kanonischen Sonnenuhr
8. Literatur und Bild-Nachweis
9. Anmerkung über Informationen an den Rändern der vertikalen Spinne
10. Anmerkung zur Berechnung einer vertikalen Spinne

1. Einleitung  ↑ Anfang

<< Abb.1 Kanonische Sonnenuhr, 4er -Teilung, Stadtkirche, Homberg/Ohm, Foto: H.Philipp [1]

Kanonische Sonnenuhren sind vermutlich die ältesten Gebilde, die in einem Katalog für Sonnenuhren vorkommen [1], [2]. Sie sind erstaunlich zahlreich, und enthusiastische Sonnenuhren-Freunde entdecken immer noch bisher nicht registrierte Exemplare. Andererseits gilt eine Kanonische nicht als "richtige" Sonnenuhr. Dieser Widerspruch ist zu beleuchten. Dabei wird ein Exkurs in den klösterlichen Alltag des Mittelalters gemacht und die Anzeige einer Kanonischen Sonnenuhr mit der einer vertikalen Spinnen-Sonnenuhr - also mit einer "richtigen" Sonnenuhr - verglichen.

2. Beschreibung der Kanonischen Sonnenuhr  ↑ Anfang

Es handelt sich um ein Halbkreis-förmiges Ornament (Abb.1) etwa in der Grösse eines Papierblattes von A4 bis A3, das auf Südwänden vorwiegend alter Kirchen zu finden ist. In deren gehauene Natursteine oder Backsteine ist die untere Hälfte eines Kreises eingeritzt (gekratzt: Kratz-Sonnenuhr). Zwischen Zirkelpunkt und Kreisrand verlaufen Radialstrahlen, die das Ornament in mehrere Segmente gleichmässig unterteilen. Manchmal sind einzelne Radialstrahlen markiert, selten beschriftet oder beziffert. Im Zirkelpunkt befindet sich ein horizontales Loch, in dem höchstwahrscheinlich ein Stab befestigt war. Ein horizontaler Stab würde einen Schatten auf das Ornament werfen, der sich über den Tag um den Zirkelpunkt dreht, von Zeit zu Zeit auf eine der radialen Strahlen fällt und dort die Zeit anzeigt. Mitunter ist anstatt eines Halbkreises auch ein ganzer Kreis vorhanden (Abbildungen 1 und 3 sind besachnitten).

Welche Zeit wird angezeigt? Von Laien wird oft die horizontale Variante der Kanonischen Sonnenuhr angefertigt. Man stecke einen vertikalen Stab in den Boden und markiert auf ihm die Richtung des Stab-Schattens zu bestimmten Zeitpunkten mit Hilfe der Armband-Uhr. Die Enttäuschung kommt bald, denn nach wenigstens einem Monat geht diese Uhr deutlich falsch. Zudem ist festzuhalten, dass die Markierungen untereinander verschiedenen Winkel-Abstand haben, während die Strahlen der Kanonischen Sonnenuhr gleichmässig verteilt sind.

Ausweg aus dem Dilemma, dass die Anzeige der Kanonischen Sonnenuhr

  • übers Jahr deutlich schwankt und
  • nicht zu einer gleichmässigen Teilung der Tageszeit passt,
verspricht die Annahme, dass mit ihrer Hilfe die verbindliche (kanonische) Zeitordnung in mittelalterlichen Klöstern eingehalten wurde. Damit wird unterstellt, dass die Organisation des klösterlichen Alltags an deren Mängel angepasst wurde.

Aus dieser Verbindung zu Klöstern folgt auch der Name: Kanonische Sonnenuhr.

3. Der Alltag in einem mittelalterlichen Kloster  ↑ Anfang

Die klösterliche Zeitordnung geht auf Benedict von Nursia zurück. Er schuf das Regelwerk für den von ihm gegründeten Mönchsorden (540, Monte Cassino), das zum Vorbild aller anderen klösterlichen Regeltexte im Westen wurde. Sieben über Tag und Nacht verteilte Gebete der Mönche sollten an die Passion Christi erinnern. Je zweimal war am Morgen und am Abend zu beten: vor Sonnenaufgang die MATUTIN, bei Sonnenaufgang oder etwas später die PRIM, etwas vor oder bei Sonnenuntergang die VESPER, und nach Sonnenuntergang das COMPLET. Die drei verbleibenden Gebete sind TERZ, SEXT und NON, die zeitlich an die temporalen Stunden hora tertia, hora sexta und hora nona angelehnt sind. An den Enden dieser Stunden wurde noch zur Zeit Benedict's der Wachwechsel im Römischen Heer öffentlich bekannt gegeben. Die Christen konnten sich daran orientieren. Aber auch in der Bibel ist die damit verbundene Vier-Teilung des Tages jedermann geläufig, und drei der Passionen Christi sind darin zu diesen Zeiten beschrieben. Die sieben Gebete werden auch Gebets-Stunden oder Kanonische Stunden genannt. Die drei oder fünf (inklussive PRIM und VESPER) Tages-Gebets-Stunden könnten mit Hilfe einer Sonnenuhr, im besonderen mit einer Kanonischen Sonnenuhr angezeigt worden sein (Abb.2).

<< Abb.2 Moderne Kanonische Sonnenuhr, 4er-Teilung, Reutte/Tirol, Foto K.Schwarzinger [2]

Dass aber die Kanonischen Stunden fixe Zeitpunkte bedeuteten, ist ein moderner Irrtum [3]. Die römischen (temporalen) Stunden dienten zur losen Orientierung, es gab keine strikte Bindung an sie. Anstatt eines terminierten Stundenplans heisst es bei Benedict "horas temperare", d.h. die zweckmässige Zeit für jede der vorgeschriebenen Verrichtungen: Gottesdienst, Meditation, Lesung, Arbeit, Essen und Schlafen. Fast alles wurde gemeinsam gemacht, und eine Handlung schloss sich unmittelbar an die andere an, so dass bestenfalls das Ende einer "Zimmerstunde", die die Mönche betend und meditierend einzeln in ihren Zellen verbrachten, mit der Glocke zu terminieren war. Dafür wäre nur die Messung eines relativ kleinen Zeitintervalls nötig gewesen, wofür eine Wasser- oder später auch eine Sanduhr bestens geeignet war. Die Dauern von Gottesdiensten, Gebeten und Lesungen waren von sich aus sehr konstant. Ansonsten nutzte man die Erfahrungen des Abtes oder des verantwortlichen Mönchs für die passende Dauer einer Verrichtung. Wenn das kommende Tagesende erkennbar war, wurde nötigenfalls auch komprimiert oder gestreckt. Die Anpassung an die jahreszeitlich veränderlichen Längen von Tag und Nacht geschah durch Änderung des Inhalts der einzelnen Elemente. Selbst die Dauer eines individuellen Gebets war ziemlich konstant bzw. mit der Zahl der auferlegten Verse gezielt veränderlich. Nur für den nächtlichen Beginn des Alltags der Mönche wäre eine Uhr nötig gewesen. Ausgerechnet dafür kam keine Sonnenuhr in Frage, und bis heute ist nicht klar, mit welchen Hilfsmitteln der Weck-Termin für den nachfolgenden nächtlichen Gottesdienst (Vigilien) eingehalten werden konnte

4. Die Verschiebung der kanonischen Stunden  ↑ Anfang

Die Kanonischen Stunden waren von Anfang nicht nur nicht strikt an die römischen (temporalen) Stunden gebunden, sondern praktische Gründe (Jahreszeiten, Arbeitsanfall u.a.) gaben Spielraum für Veränderungen. Selbst Benedict empfahl die Vorverlegung der NON im Sommer auf die Mitte der 8.Stunde. Im 13.Jahrhundert nahm sie schliesslich die Stelle der SEXT ein (engl. noon für Mittag). Bilfinger [4] erkennt darin eine "erlaubte Übung", um das häufig vorgeschriebene Fasten schon am Mittag beenden zu dürfen. Jetzt war sehr deutlich geworden, dass mit Gebets-Stunden nicht Tages- oder Zeit-Stunden gemeint waren. Die NON unterschied sich nun immerhin um die Länge eines Viertel-Tages von der hora nona. SEXT und TERZ wurden jetzt auch mehr oder wenige früher als zur hora sexta bzw. tertia gebetet.

Die Kanonischen Stunden werden auch mittelalterliche Horen genannt. Verwechslungsfreier wäre, die Worte "Stunde" und "Hore" nicht zu gebrauchen und nur von Gebets-"Namen" zu sprechen. Die Historiker unterscheiden die Gebets-Stunde als "hora quoad officium" von der Zeit-Stunde als "hora quoad tempus".

<< Abb.3 Kanonische Sonnenuhr, 12er Teilung, Elisabeth-Kapelle, Hameln, Foto: P.Jacobs [1]

Die Verschiebung der Gebete wurde auf späteren Kanonischen Sonnenuhren mit Hilfe von besonderen Markierungen berücksichtigt. Ihr Halbkreis ist als gleichmässig skaliertes Zeitband oder als Zeit-"Torte" zwischen Sonnen-Aufgang (links) und Sonnen-Untergang (rechts) zu verstehen. Wegen der Verschiebung der Gebetszeiten wurde die 4er-Teilung durch eine grössere, eine meist zur Vertikalen auch symmetrische Teilung ersetzt. Bei 6er- oder 12er-Teilung wurden die markierten Gebete formal mit einer der 12 temporalen Tages-Stunden in Bezug gesetzt (Abb.3 ), unabhängig davon, dass es dafür bei den Benedectinern keine Regel gab und dass der Stab-Schatten zu dieser Zeit meistens nicht auf die Markierung fällt.

5. Wie kam die Kanonische Sonnenuhr zu uns?  ↑ Anfang

Die älteste westliche Kanonische Sonnenuhr wurde im nördlichen England gefunden. Sie stammt aus dem 7.Jahrhundert. Benediktiner-Missionare waren schon hier, und Beda Venarabilis –ihr grösster Gelehrter– lebte unter ihnen. Beda benutzte nicht näher beschriebene Sonnenuhren für astronomische Studien [5], wofür die Kanonische Sonnenuhr sicher nicht geeignet war. Dafür brauchbare Römische Sonnenuhren waren ihm offensichtlich noch bekannt. Sie verschwanden aber aus dem Alltag und wurden von der primitiven Kanonischen Sonnenuhr ersetzt. Eine Vielzahl solcher Sonnenuhren wurde in den folgenden 8 Jahrhunderten in Grossbritannien und in der Mitte Europas, d.h. in Ländern, in denen von England und Irland aus missioniert wurde, angefertigt. Bemerkenswert ist aber, dass sich die meistem Exemplare auf Kirchen befinden, zu denen kein Kloster gehörte. Der Benutzer-Kreis erstreckte sich also über die Mauern der Klöster hinaus. Sowohl klösterliche als auch heidnische Gesellschaften könnten dieses Ornament lediglich als Teilungs-Schema für den Tag und starkes Symbol für die Sonne am Himmel gebraucht haben. Es gab auch schon Exemplare in Römischer Zeit, spätere sind aus Armenien bekannt [6].

Ab dem 9.Jahrhundert kannte man 800 Jahre lang in der Byzantinischen Kunst bzw. Orthodoxen Kirche auch nur die "halbkreisförmige Süduhr" und sah in ihr zunächst ein Abbild der "wahren Sonnenuhr", also der Bewegung der Sonne am Himmel [7].

Die einfache 4er-Teilung ist eine Anlehnung an den vier-geteilten Alltag in der Bibel. Die 6er- und 12er-Teilungen des Ornaments berücksichtigen die Vorverschiebung der Gebets-Zeiten. Die 8er-Teilung hat keine Beziehung zu den 12 temporalen Stunden. Sie könnte ihren Ursprung in Nordeuropa haben und den 8 "Temporal-Stunden" der Wikinger und anderer Nordgermanen entsprechen [6], [8].

6. Kanonische und vertikale Spinnen-Sonnenuhr  ↑ Anfang

<< Abb.4 Kanonische Sonnenuhr und vertikale Spinne, temporale Stunden

Abb.4 enthält im Zentrum ein kleines Bild einer Kanonischen Sonnenuhr mit 4er-Teilung. Die linke (Vormittags-) Hälfte ist zusätzlich vergrössert dargestellt und darüber die ebenfalls linke Hälfte einer vertikalen Spinnen-Sonnenuhr gezeichnet. Die weggelassenen rechten (Nachmittags-) Hälften sind symmetrisch zu den Vormittags-Hälften. Für den Bezug auf die 12 temporalen Stunden sind die Kanonischen Sektoren mit dünneren Linien nochmals gedrittelt. Die 6 Kanonischen Stunden PRIM bis SEXT sind formal in die verlängerten und auf 6 vermehrten Sektoren der halben Kanonischen Sonnenuhr hinein geschrieben. Auf der darüber liegenden Spinne sind die Grenzen zwischen den zugehörenden 6 temporalen Stunden exakt dargestellt. Die Grenzlinien verbinden diejenigen Punkte, die durch Kreuzen des Stab-Schattens mit denjenigen Viertel-Kreisen entstehen, die für die jeweils momentane Sonnen-Deklination gezeichnet sind. Das Zifferblatt kam wegen der Ähnlichkeit dieser Linien mit den Beinen einer Spinne zu seinen Namen. Die Stunden-Bereiche sind auf der Spinne mit I bis VI beschriftet. Die Spinne ist für den mittleren europäischen Breitengrad φ=49° ausgelegt.

<< Abb.5 Kanonische Sonnenuhr und vertikale Spinne, äquinoktiale Stunden

Kritisch zu kommentieren ist beispielhaft die Anzeige am Ende der hora tertia (III<, Wahre Orts-Zeit, sie wird allgemein mit dem 45°-Strahl in Beziehung gebracht), bzw. welche Stunde auf dem 45°-Strahl angezeigt wird:

  • Das Ende der Stunde III wird schon ca. in der Mitte des 3.Sektors (TERZ, bei Sommer-Sonnenwende) bis sogar schon bei ca.3/4 des 2.Sektors (SECUND, bei Winter-Sonnenwende) angezeigt.
  • Wenn der Stab-Schatten auf den 45°-Strahl fällt, ist schon ca.1/2 der Stunde IV (bei Sommer-Sonnenwende) bis sogar schon ca.1/5 der Stunde V (bei Winter-Sonnenwende)vergangen.

In Abb.5 ist die aufgelegte Spinne in äquinoktiale Stunden unterteilt, um im Vergleich mit Abb.3 auf den Unterschied hinzuweisen, der beim Gebrauch dieser verschiedenen Stunden entsteht. Die dort genannten Differenzen fallen hier noch grösser aus. Zum Vergleich ist die 9Uhr-Linie zu betrachten. Sie befindet sich sogar in 4 Sektoren: PRIM (bei Winter-Sonnenwende) bis QUART (bei Sommer-Sonnenwende). Das häufig vernichtende Urteil über die Kanonische Sonnenuhr mag damit zusammenhängen, dass mit äquinoktialen Stunden der ihr nicht adäquate Massstab gebraucht wird.

<< Abb.6 Kanonische Sonnenuhr und vertikale Spinne, temporale Stunden, verschiedene Breiten

Für jede geografische Breite sieht auch die Kanonische Sonnenuhr anders aus. Es gibt aber keine Breite, für die das Ornament die Spinne zufriedenstellend ersetzen könnte (Ausnahme: Äquator, Winter-Halbjahr, Äquatoriale Uhr). Abb.6 enthält am Ende der Stunden I, III und V Stunden-Linien für geografische Breiten φ=49°±7.5°. Das ist die Zone zwischen Monte Cassino und Schottland. Die Abweichungen zwischen Ornament und Spinne sind bei niedrigeren Breiten geringer.

Der Wahre Mittag ist die einzige Zeit, die immer richtig angezeigt wird. Die Kanonische Sonnenuhr ist somit ein vollwertiger Mittags-Weiser.



7. Über den Zweck der Kanonischen Sonnenuhr  ↑ Anfang

Ohne zu beachten, dass das mit einem horizontalen Stab komplettierte Kanonische Ornament als Sonnenuhr gedient haben könnte, ist offensichtlich, dass

  • es den Tag als Zeit-Band oder -Torte darstellt, auf dem/der
  • die klösterlichen Gebete in richtiger Reihenfolge zu den
  • passenden Tages-Zeiten vermerkt sind.

Vermutet werden kann, dass das Kanonische Ornament

  • " ein Abbild der wahren Sonnenuhr war" [7] (wie die Abbildung der Sonnen-Bewegung am Himmel in der Skaphe, hier drei-dimensional),
  • als Verzierung/Schmuck (Ornament) Bedeutung behielt,
  • mit seiner regelmässigen Sektoren-Folge den streng reglementierten klösterlichen Alltag symbolisch ausdrückte.

Als Zwecke der Kanonischen Sonnenuhr inklussive Stab sind denkbar:

  • die Faszination, die von den um den Zirkelpunkt rotierenden und von Sektor zu Sektor wandernden Stab-Schatten ausgeht,
  • die richtige Anzeige des Mittags (Mittags-Weiser),
  • oder doch die Anzeige der Tages-Zeit (, die zwar ziemlich ungenau, aber nicht so krass falsch wie beim Gebrauch der uns geläufigen äquinoktialen Stunden ist).

8. Literatur und Bild-Nachweise  ↑ Anfang

[1] Philipp, Roth, Bachmann: "Sonnenuhren : Deutschland und Schweiz", DGC 1994
[2] K.Schwarzinger: "Katalog der ortsfesten Sonnenuhren in Österreich", Wien 2006
[3] G.Dohrn-van-Rossum: "Die Geschichte der Stunde", München und Wien 1992
[4] G.Bilfinger: "Die mittelalterlichen Horen und die modernen Stunden", Stuttgart 1892
[5] A.Borst: "Computus. Zeit und Zahl in der Geschichte Europas", Berlin 1990
[6] H.Rau, K.Schaldach: "Vertikalsonnenuhren des 6.-14. Jahrhunderts", Stuttgart 1994
[7] H.Schaldach: "Die antiken Sonnenuhren Griechenlands", Frankfurt 2006
[8] A.Zenkert: "Faszination Sonnenuhr", Berlin 1984

9. Anmerkung über Informationen an den Rändern der vertikalen Spinne
   ↑ Anfang

Im Gegensatz zu horizontalen Zifferblättern befinden sich solche auf einer Südwand im Sommer am frühen Morgen und am späten Abend im Schatten. Die Wand "tritt" erst einige Zeit nach Sonnenaufgang aus bzw. schon einige Zeit vor Sonnenuntergang in den Schatten. Die zeitliche Differenz ist zur Sommer-Sonnenwende am grössten. In den Abbildungen 4, 5 und 6 sind die Stunden-Linien in einem dreieckigen Bereich an der linken Skalen-Ecke abgeschnitten, womit der Beginn der Wand-Beleuchtung diagrammartig dargestellt ist.

Frühe und späte Äquinoktial-Stunden liegen im Winter vor Sonnenaufgang bzw. nach –untergang, sind also von keiner Sonnen-Uhr anzeigbar. Bei der vertikalen Spinne (Abb.5) werden diese Stunden-Linien vom horizontalen Strahl (Schatten-Richtung bei Sonnenaufgang) begrenzt. Für 6Uhr gibt es sogar nur einen Skalen-Punkt, der bei den Tag/Nacht-Gleichen (21.3 und 23.9.) wirksam ist. Im Winter geht die Sonne später auf, im Sommer befindet sich die Uhr zu diesem Zeitpunkt noch im Wand-Schatten. Die 8Uhr-Linie ist nicht begrenzt, denn zur Winter-Sonnenwende geht die Sonne zu diesem Zeitpunkt gerade auf (φ=49°). Auf der horizontalen Linie ist für den Winter die Zeit für den Sonnenaufgang und damit indirekt die Tageslänge diagrammartig dargestellt.

10. Anmerkung zur Berechnung einer vertikalen Spinne  ↑ Anfang

Die vertikale Spinne kann ähnlich wie eine horizontale berechnet werden. Zu empfehlen ist die Verwendung eines zum Horizont-System analogen Koordinaten-Systems in der vertikalen Ost-West-Ebene: Nordwand-System. Der zu berechnende Stundenwinkel A auf dem Zifferblatt in dieser Ebene entspricht dem Azimut a, der Winkel H über der Nordwand der Höhe h. Zur Herstellung des nötigen Zusammenhangs zwischen den Winkeln τ,δ und A,H lassen sich die bekannten Transformations-Gleichungen Äquator- >> Horizont-System abwandeln. In Ihnen ist lediglich der Winkel (90°-φ) durch –φ zu ersetzen und A statt a bzw. H statt h zu schreiben. So wie das Horizont-System durch Drehung um die y-Achse mit dem Wert (90°-φ) aus dem Äquator-System hervorgeht, wird letzteres nämlich durch Drehung mit –φ zum Nordwand-System.
Für die Spinne mit temporalen Stunden ist anstatt des Stundenwinkels τ sein Produkt mit dem Verhältnis Tageslänge zur Länge des Äquinoktial-Tages zu verwenden.

Siegfried Wetzel, CH 3400 Burgdorf, März 2008 (Apr. 22)

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