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Sonnenuhren mit Lichtbrechung

Inhalt

1. Abbildung des gesamten Himmels auf begrenzter ebener Fläche
2. Eine horizontale Sonnenuhr im Wasser
3. Wie groß ist die Verzerrung bei gnomonisch-gebrochener Projektion?
4. Die durch Brechung veränderte Form der Stunden- und Deklinationslinien
    4.1 Die durch Brechung veränderte Form der Stundenlinien
    4.2 Die durch Brechung veränderte Form der Deklinationslinien
5. Zusammenfassung
6. Literatur
7. Anmerkungen
8. Anhänge
    8.1 Die durch Brechung veränderte Form des Wendekreis des Krebses bei φ = 0°
    8.2 Beispiel einer ausführlichen Konstruktion einer gnomonisch-gebrochenen Projektion
    8.3 Ein weiterer Prototyp einer Sonnenuhr mit Lichtbrechung

1. Abbildung des gesamten Himmels auf begrenzter ebener Fläche

Bei einer Sonnenuhr mit schattenwerfendem Punkt oder lichtdurchlassendem Loch wird der Himmel in gnomonischer Projektion (das abbildende Element befindet sich im Mittelpunkt der Himmels-Sphäre) abgebildet. In der üblicherweise auf ein ebenes Zifferblatt erfolgenden Abbildung - z.B. in einer horizontalen Sonnenuhr - fehlen die Randteile des Himmels, weil sie außerhalb der Grenzen eines endlich großen Zifferblatts liegen.

Abb.1  Abbildung des Himmels mit
           einer gnomonischen
           Horizontal-Sonnenuhr

           Brechungsindex des Mediums
           zwischen Gnomon und Zifferblatt:
           n= 1,5: Bildgröße = 1,8
           (n= 1,0: Bildgröße → ∞)

Die Zeitpunkte für Sonnenauf- und -untergang können von einer solchen Sonnenuhr nicht und ein bestimmter Zeitraum danach und davor auch nicht, angezeigt werden, weil das Zifferblatt eine "annehmbare" Größe nicht übersteigen soll (Anmerkung 1). In Abb.1   ist erkennbar, dass das Zifferblatt mindestens die etwa 7½-fache (2 · 3,73) Ausdehnung gemessen an der Höhe des Gnomons über dem Zifferblatt haben müsste, wenn der Himmel ab 15° über dem Horizont abgebildet werden soll.
Hingegen wird der gesamte Himmel (Raumwinkel 180°, oben) "auf einer begrenzten ebenen Fläche" [1] abgebildet, wenn das Licht am Gnomon in ein optisch dichteres Medium (dichter als Luft) "hineingebrochen" wird. In Abb.1 ist das für ein Medium mit Brechungsindex n=1,5 (in etwa Acrylglas) dargestellt: Auf der Bildseite ist der Raumwinkel etwa 84° (halber Spitzenwinkel des Kegels = 41,8°, unten). Der Durchmesser des Himmelsbildes beträgt nur das 1,8-fache (2 ·tan 41,8°) der Gnomon-Höhe.
Der Zusammenhang zwischen dem Eintrittswinkel ε und dem Austrittswinkel α eines Lichtstrahls an der brechenden Grenzfläche wird vom Snellius'schen Brechungsgesetzt dargestellt:
sin ε / sin α = n1 / n2 . I.d.R ist n1 = 1 (Luft). Damit und mit einer Umstellung wird es hier wie folgt angewendet:
sin α = sin ε / n .

2. Eine horizontale Sonnenuhr im Wasser

Abb.2  Sonnenuhren-Zifferblatt
           unter Wasser (n=1,33)   [1]

           römische Ziffern für äquinoktiale
           Stunden,
           gekreuzt darüber babylonische
           und italienische Stunden

Die erste bekannt gewordene Anwendung der Lichtbrechung bei Sonnenuhren stammt von Heinz Schilt [1]. Er errichtete ein Zifferblatt auf dem "Boden eines Badeweihers" und nutzte die "linsenförmige Aufwölbung" der Wasseroberfläche, die von knapp darunter aus einer Röhre austretendem Wasser erzeugt wurde, als optische Linse bzw. als Gnomon. Dieses Zifferblatt ist in Abb.2 gezeigt. Der Umkreis (rot, unterer Teil weggelassen) gilt für das Bild des ganzen Himmels. Sein Durchmesser ist das 2,28-fache der Gnomonhöhe (maßstäblich als Gerade g gezeichnet). Der etwas größere Wert als der in Abb.1 wird vom kleineren (n=1,33) Brechungsindex des Wassers verursacht.

Abb.3  orthograpische Projektionen
           überlagert: Himmel und Erde
           (φ=47° für z.B. Bern)

Schilt erwähnt lediglich:
"Die gnomonische Abbildung wird durch die Brechung der Lichtstrahlen derart verzerrt, dass alle Bildpunkte gegen F hin verschoben" sind. "Man kann an dieser Sonnenuhr den vollständigen täglichen ... Lauf der Sonne auf einer begrenzten ebenen Fläche beobachten."
Auf die geänderte Form der Stundenlinien (bisher Geraden) und der Deklinationslinien (bisher Hyperbeln) geht er nicht ein. Darauf wurde ich erst durch eine kürzlich erschienene Publikation [2], in der primär die Ellipsenform der Stundenlinien interessiert, aufmerksam:
Die "Orginalität liegt in der Ausbildung der Stundenlinien, welche die Erde und ihr Längennetz visuell darstellen."


Dieser Gedanke verspricht eine alternative Sonnenuhr zur HELIOS [3] und ähnlichen Entwürfen [4, Abb.3), deren Bedeutung darin liegt, dass ihr anzeigender Punkt auf einem dem Sonnenuhren-Zifferblatt überlagerten Erde-Bild als Subsolarer Punkt (nach Westen wandernder Ort, an dem die Sonne in jedem Moment im Zenit steht) dient
(Anmerkung 2). Eine solche Ausführung wäre wegen des zugefügten, lichtbrechenden Bauteils einerseits aufwändiger als die genannten Sonnenuhren, wegen des eben bleibenden Zifferblatts andererseits einfacher herzustellen. Da keine Rückprojektion in ein sphärisches Zifferblatt hinein erfolgen müsste, entfiele auch das dort notwendige Spiegelungs-Element.

In Abb.3 ist das Himmelsnetz einem Erd-Globus (Anmerkung 3) überlagert. Im von den beiden Wendekreisen gebildeten Gürtel hält sich am Himmel die Sonne und auf der Erde der Subsolare Punkt (die Sonne steht im Zenit) auf. Die Form des Gürtelbildes am Himmel ist vom Breitengrad des Beobachtungsorts abhängig. Dieser befindet sich wiederum in der Mitte des ebenen Erd-Bildes (kleiner roter Kreis bei Bern: φ= 47°).

Die Darstellung in Abb.3 wäre als Erweiterung des Zifferblattes von Schilt (Abb.2) gedacht. Seiner Sonnenuhren-Skala auf dem ebenen Boden des Weihers würde ein Bild der Erde unterlegt. Der Gürtel zwischen den Wendekreisen des mitprojizierten Netzes der Erd-Koordinaten dient auch als Skalen-Netz der Sonnenuhr. Dort wären lediglich die entsprechenden Skalenwerte der Sonnenuhr (Tagesstunden und evtl. Deklinationswerte von Tagesbahnen) zusätzlich einzutragen.
Bei Vergleich zwischen den Abbildungen 2 und 3 ist die Güte der Annäherung zwischen beiden Darstellungen (orthographische Projektion der Erde und gnomonisch-gebrochene Projektion des Himmels) erkennbar. Sie ist nicht ausreichend gut, so ist u.a. die Breite des Gürtels zwischen den Wendekreisen in Abb.2 deutlich größer als in Abb.3. Für den praktischen Gebrauch einer solchen mit dem Bild der Erde ergänzten Sonnenuhr muss letztere verzerrt werden. Die nötige Verzerrung wird umso kleiner je größer der Brechungsindex des brechenden Mediums zwischen Gnomon und ebenem Zifferblatt ist (siehe Abb.4, Anmerkung 4).

Abb.4  verzerrtes Bild der Erde bei gebrochener (n=1,33 und n=1,50) gnomonischer Projektion (Anmerkung 5) und
           unverzerrtes Bild bei orthographischer Projektion                                                                                [2]

3. Wie groß ist die Verzerrung bei gnomonisch-gebrochener Projektion?

Abb.5  Ermittlung der Verzerrung:

           dargestellt an ausgewählten Meridian-Punkten
           (Schnittpunkte mit Himmels-Äquator und
           Wendekreisen)
           n=1,50, φ = 47°

In Abb.5 sind zwei Projektionen von Meridian-Punkten (Nord-Süd-Mittagsbogen am Himmel) auf eine horizontale Ebene dargestellt. Die gnomonisch-gebrochene Projektion befindet sich unten links (siehe auch Abb.1) und die orthographische unten rechts. Die gnomonisch-gebrochen projizierte Strecke (links: kleine schwarze Punkte) wurde zum Vergleich mit der Punkteverteilung in der orthographisch projizierten Strecke (rechts: schwarze Punkte) in Einheitslänge 1 ebenfalls auf diese Länge vergrößert (links: farbige Punkte). Schließlich wurde sie für einen einfach erkenbaren Vergleich nach rechts hinüber gespiegelt.

Die durch gnomonisch-gebrochene Projektion erhaltene Strecke ist in ihrem mitteren Bereich gedehnt (was in den Endregionen durch örtliche Stauchung wieder ausgeglichen wird). Die in Abb.2 durch Vergleich mit Abb.3 erkennbare Verzerrung wird bestätigt und quantitativ angegeben:
Die Breite des Gürtels innerhalb der Wendekreise wird auf das etwa 1,1-fache gedehnt (0,595/ 0,544 = 1,09;
n=1,50; φ=47°). Der Gürtel liegt näher beim Zentrum (roter Punkt) als bei orthographischer Projektion.

4. Die durch Brechung veränderte Form der Stunden- und Deklinationslinien

Abb.6  "Eine Sonnenuhr mit Stundenlinien in Erdgestalt"                [2]

Im in Abschnitt 2. zitierten Aufsatz [2] wird für die mit einem Erde-Bild komplettierte Sonnenuhr von Schilt die Schlussfolgerung gezogen: "Damit stellt die Sonnenuhr die himmelsmechanische Beziehung zwischen Erde und Sonne praktisch selbsterklärend dar". Das erklärende Bindeglied ist der Subsolare Punkt, der in der bekannten HELIOS und in ähnlichen Sonnenuhren auf einem zugefügten Bild der Erde sichtbar wird. Der Autor erwähnt diesen Punkt aber nicht und zeigt auch keine für diese Funktion passende Zifferblatterweiterungen. Er begnügt sich damit, dass die mittels gnomonisch gebrochener Projektion erzeugten Stundenlinien gekrümmt sind und alle 24 zusammen (die in den Nachtstunden nicht gebrauchten eingeschlossen) an die Längengrade auf einem sonst leeren Globus erinnern (Abb.6). Die Stundenlinien seien elliptisch gekrümmt.


Im letzten Abschnitt wurde die nicht unwesentliche Verzerrung in einer Dimension, nämlich auf dem Meridian nachgewiesen. Im Folgenden soll untersucht werden, wie gut die Ähnlichkeit des gnomonisch-gebrochen projizierten Himmels im Allgemeinen - d.h. in beiden Dimensionen - mit einem orthographisch projizierten Bild des Himmels und der Erde ist. Dabei geht es im Besonderen darum, ob die Stunden- und Deklinationskreise als Ellipsen abgebildet werden, oder welche Abstriche davon gemacht werden müssen.

Abb.7  Die Koordinaten-Kreise am Himmel
           (ortsfestes Äquatorialsystem)

           rot: Stunden-; blau Deklinations-Kreise
           (schwarz: Horizont)

Im als sphärische Fläche angenommenen Himmel sind die Stundenlinien (τ =konst.) halbe Großkreise (rot in Abb.7) und die Deklinationslinien (δ =konst.) Kleinkreise (blau) oder Teile von ihnen (je nach geographischer Breite φ). In orthogonaler Projektion auf eine Ebene sind sie halbe Ellipsen bzw. ganze Ellipsen oder Stücke von ihnen (Abb.3). Ob sie das in gnomonischer Projektion mit Brechung auch oder näherungsweise auch sind, ist zu untersuchen.
Die auf Sonnenuhrenzifferblättern enthaltenen Stunden- und Deklinationslinien sind i.d.R. nur ziemlich kleine Teile der ursprünglichen Kreise. Wegen der besseren Erkennbarkeit werden im Folgenden immer die Abbildungen ganzer Kreise gezeigt.

4.1 Die durch Brechung veränderte Form der Stundenlinien

Die Stundenkreise sind Großkreise. Weil sie alle gleich groß sind und sich ihre Mittelpunkte im gnomonischen Projektionszentrum befinden, ist zu erwarten, dass sich ihre Abbildung - auch gnomonisch-gebrochen - als einfacher verständlich als die der Deklinationskreise erweist. Die Mittelpunkte der Deklinationskreise (Ausnahme: der Himmelsäquator) befinden sich abseits des Projektionszentrums (lediglich alle auf der Himmelsachse). Erwartet werden kann auch, dass die Formänderung der Großkreise beim Abbilden milder ausfällt als die der Kleinkreise mit abseits liegenden Mittelpunkten und zusätzlich noch veränderlichen Durchmessern.

Abb.8  gnomonisch-gebrochene Projektion (n=1,5)
           eines Stundenkreises (τ=45°)
           auf horizontale Bildfläche
           Beobachtungsort: φ=47°
           ausführliche Konstruktion: s. Anhang 2

Die von einem Stundenkreis kommenden, alle in einer Ebene (Stundenebene) verlaufenden Lichtstrahlen werden im Projektionszentrum beim Übergang ins optisch dichtere Medium gebrochen. Danach befinden sie sich auf der Mantelfläche eines Kegels mit elliptischem Querschnitt. Auf einer gedachten, die ebene Bildfläche (zur Trennfläche zwischen den beiden optisch verschieden wirkenden Stoffen parallel) der Einfachheit halber berührenden sphärischen Bildfläche wird der Stundenkreis als Ellipse abgebildet. Diese ist gemäß Snellius'schem Brechungsgesetz lediglich verkleinert ähnlich derjenigen Ellipse, die bei orthographischer Projektion auf der Bildebene entsteht (Zwischenbild). Die gnomonisch-gebrochene Abbildung ist von der gedachten sphärischen Bildfläche aus weiter bis zur Bildebene zu verfolgen. Dabei werden alle vom Ellipsen-Mittelpunkt ausgehenden, zu Ellipsen-Punkten zeigenden Vektoren mit dem Faktor tanα / sinα (α = Austrittswinkel der Lichtstrahlen am brechenden Punkt / Gnomon) verlängert. Dieser Faktor ist zwar nicht konstant, die Ellipsenform bleibt aber erhalten. Das kann daraus gefolgert werden, dass bei φ = 0° und
τ = 90° der Grenzfall Kreis auch als Kreis abgebildet wird. Verändert ist lediglich das Achsenverhältnis a/b im Vergleich zur bei orthographischer Projektion entstehenden Ellipse. Im Beispiel von Abb.8 wird die gnomonisch-gebrochen entstehende Ellipse etwa 25% schlanker. Bei
φ = 0° entstehen dickere Ellipsen im Bild: τ = 30°: 27% verdickt; τ = 60°: 10% verdickt.



4.2 Die durch Brechung veränderte Form der Deklinationslinien

Abb.9  gnomonisch-gebrochene Projektion (n=1,5)
           des Wendekreis des Krebses (δ=+23,5°)
           auf horizontale Bildfläche
           Beobachtungsort: φ=47°

Im Unterschied zu den Stundenkreisen haben die Deklinationskreise keine besondere Lage relativ zum Gnomon: Ihre Mittelpunkte decken sich nicht mit dem Gnomon. Die von einem Deklinationskreis zum Gnomon gehenden Lichtstrahlen befinden sich bereits auf einem Kreiskegel-Mantel (Deklinationskegel) und nachher im optisch dichteren Medium auf dem Mantel eines elliptischen Kegels. Unterschiedslos zu den Stundenkreisen werden die Deklinationskreise in der gedachten sphärischen Bildfläche ebenfalls als Ellipsen abgebildet. Ein Unterschied tritt erst bei der Weiterverfolgung dieses Zwischenbildes hin zur ebenen Bildfläche auf. Die tanα/sinα-Verlängerung betrifft hier nicht die regulären Ellipsenpunkt-Radien (vom Ellipsen-Mittelpunkt ausgehende Vektoren) sondern von einem exzentrischen Punkt ausgehende Vektoren. Der variierende Verlängerungsfaktor ist nur noch für je 2 Punkte gleich. Die Ellipse wird in eine geschlossene Kurve verzerrt, die nur noch aus zwei spiegelbildlich gleichen Teilen besteht (Abb.9).



5. Zusammenfassung

Mein erster Eindruck bei der neuerlichen Erwähnung [2] von Schilt's Sonnenuhr im Wasser, eine annähernd gleichwertige Alternative z.B. zur HELIOS kennen gelernt zu haben, hat sich nicht bestätigt. Das bei gnomonisch-gebrochener Projektion zu verwendende Zifferblattnetz ähnelt nur schwach dem Netz aus orthographisch projizierten Längen- und Breitengraden der Erde. Im Vergleich zur einfachen gnomonischen Projektion dieser Linien und der Grenzen zwischen Festland und Meeren der Erde ist der Gewinn deutlich. Es verbleibt aber immer noch eine erhebliche Irritation, wenn man sich anhand dieser Darstellung der Erde orientieren, z.B. den Subsolaren Punkt verfolgen will. Das Erdebild ist noch zu stark verzerrt. Am stärksten sind die Breitengrade (Deklinationslinien) betroffen, sie weichen deutlich von elliptisch geformten Linien ab. Die Längengrade (Stundenlinien) sind weniger verzerrt. Sie sind sogar elliptisch
("... Stundenlinien in Erdgestalt", Teil des Titels der Arbeit [2]), haben nur eine andere Krümmung und sind seitlich verschoben. In den späteren als in der Schilt'schen Wasseruhr wird vorwiegend Acrylglas als höher brechendes Material (n=1,5) verwendet. Die Verzerrung ist dabei geringer, aber bei weitem noch nicht ausreichend. Optisch dichte Materialien gibt es ohnehin höchstens bis n=2. Sie sind teuer, und da bei größerem Brechungsindex die Schichtdicke vergrößert werden muss, würden die Kosten exponentiell ansteigen, ohne wesentliche Verbesserung erreicht zu haben.

Die "Sonnenuhr mit Stundenlinien in Erdgestalt" [2] ist eine bemerkenswerte kompakte Sonnenuhr (Abb.10, links). Sie hat die Form eines flachen Würfels (Würfelsonnenuhr), an den nicht wie sonst üblich ein Polstab oder eine Gnomon vorgebaut ist. Die dadurch fehlende Sperrigkeit ist ein Vorteil für solche auf einer Fensterbank, einer Balkonbrüstung oder auf einem Gartentisch aufzustellende Sonnenuhren. Die zum Vergleich rechts in Abb.10 gezeigte, auch von der Rückseite ablesbare tragbare Vertikalsonnenuhr ist wegen des durchgehenden Polstabs noch etwas sperriger, aber mit dem Vorteil, dass auf diese Weise zusätzlich das Ablesen der frühen Morgen- und späten Abendstunden im Sommer möglich ist.
Die Stundenlininien in Erdgestalt weisen darauf hin, dass eine geometrische Gleichheit zwischen der (gedachten) Himmels- und der Erdkugel besteht. Mehr ist auf der von hinten abzulesenden Würfelsonnenuhr nicht möglich. Nicht nur, dass ein störend verzerrtes Bild der Erdoberfläche zu benutzen wäre, es müsste sogar spiegelverkehrt sein, um wenigstens in dem Sinne nützlich zu sein, dass sich der Subsolare Punkt innerhalb dieses minderen Bildes richtig fortbewegt.

Abb.10  "Eine Sonnenuhr mit Stundenlinien in Erdgestalt" [2]
              im Vergleich mit einer ebenfalls vertikalen und von der Rückseite abzulesenden Sonnenuhr mit Polstab:
                   Stabschatten zwischen VI und VI Uhr auf durchscheinender Mattscheibe,
                   direkt ablesbarer Stabschatten in den frühen Morgen- und späten Abendstunden im Sommer

6. Literatur

[1] Heinz Schilt: Ebene Sonnenuhren, Eigenverlag, 8. Auflage, 1994, Seiten 30 bis 32
[2] Joachim Heierli: Eine Sonnenuhr mit Stundenlinien in Erdgestalt, Deutsche Gesellschaft für Chronometrie,
                             Jahresschrift 2020, Band 59, Seiten 181 bis 189
                             A sundial with hour lines portraying the Earth, American Journal of Physics 87 (12), 2019
[3] Siegfried Wetzel: Der Subsolare Punkt auf einer Globus-Sonnenuhr, 4. Die HELIOS, eine .. Globus-Sonnenuhr
[4] Siegfried Wetzel: Eine Reflex-Globus-Sonnenuhr, 3. Eine Reflex-Globus-Sonnenuhr

7. Anmerkungen

Anmerkung 1:
Bei Verwendung eines Polstabes ist das im Prinzip gleich. Der Polstab enthält aber unendlich viele Gnomone in unendlich vielen Höhen. Sonnenauf- und -untergang werden vom Schatten eines Punktes nahe beim Stabfußpunkt, also von einem sehr niedrigen Gnomon angezeigt. Der Schatten befindet sich relativ zu dieser kleinen Gnomonhöhe ebenfalls am Rand eines sehr großen, absolut aber "annehmbar" großen Zifferblatts. Je höher die Sonne steht, ein umso höher liegender Bereich des Stabes - im Extrem seine Spitze, der Gnomon - wird zur Anzeige benutzt, und die ausgelegte Breite des Zifferblattes reicht dafür aus, ist "angemessen".

Anmerkung 2:
Der Sonnenuhr von Schilt könnte ohne weiteres ein annähernd passendes Bild der Erde überlagert werden. Die Funktion, mit dem Lichtzeiger zusätzlich den Subsolaren Punkt anzuzeigen, wird im zitierten Aufsatz [2] aber gar nicht behandelt. und es heißt fälschlicherweise: Auf der Sonnenuhr von Schilt " wäre ... das Abbild der Erde spiegelverkehrt erschienen."

Anmerkung 3:
Abb.3 enhält ein Foto meiner Reflex-Globus-Sonnenuhr. Diese Kugel ist mit langer Brennweite aufgenommen, so dass das Bild mit guter Näherung eine orthographische Projektion darstellt (Bildwinkel der Kugel nur etwa 2,5°).

Anmerkung 4:
Die Verzerrung (vergl. Längen der roten Striche für einen 30° breiten Gürtel über dem Äquator) ist auch bei n=1,50 (Acrylglas) noch nicht wesentlich kleiner. Selbst bei exotischen Werkstoffen bleibt der Brechungsindex kleiner als n=2, was dennoch nicht ausreichen würde, um auf das Anpassen des Erde-Bildes an das verzerrte Himmelsbild verzichten zu können. Die Anpassung ist im Wesentlichen für die Ablesegenauigkeit des Subsolaren Punktes erforderlich, Abstriche bei der Genauigkeit des Bildes außerhalb des Gürtels zwischen den Wendekreisen könnte man hingegen leicht hinnehmen. Diese Bereiche haben nur die Funktion, die Sonnenuhr zu schmücken, ihr einen Globus überzustülpen, der nicht besonders genau sein muss.

Anmerkung 5:
Die Abbildungen sind zu klein, um die Auswirkung der Verzerrung auf die Längen- und insbesondere auf die Breitenkreise beurteilen zu können.

8. Anhänge

8.1 Die durch Brechung veränderte Form des Wendekreis des Krebses bei φ = 0

Abb.Anhg.1 
gnomonisch-gebrochene Projektion des nördlichen Wendekreises an einem Beobachtungsort auf dem Äquator (φ=0°)
Ausführliche Darstellung der Konstruktion der in Ab.8 gezeigten gnomonisch-gebrochenen Projektion.

Anstatt der erwarteten Gerade ist das Bild des Wendkreises eine deutlich gebogene Linie.
Es wurden wurden insgesamt 5 Quer-Abstände ermittelt:
0,276 - 0,291 - 0,309 - 0,330 - 0,357.

Diese Konstruktion hatte ich als erste von der gnomonisch-gebrochenen Projektion eines Deklinationskreises gemacht. Sie gab mir sofort einen Hinweis darauf, dass Deklinationskreise verzerrt abgebildet werden. Dass hingegen der im Meridian liegende Stundenkreis (τ = 0°) als Gerade abgebildet wird, ist nicht als Hinweis dafür ausreichend, dass alle Stundenkreise Ellipsenform im Bild annehmen.



8.2 Beispiel einer ausführlichen Konstruktion einer gnomonisch-gebrochenen Projektion
       eines Stundenkreises


Abb.Anhg.2  Ausführliche Darstellung der Konstruktion der in Ab.8 gezeigten gnomonisch-gebrochenen Projektion.
                    unten links: Objekt, Zwischenbild und Bild
                    rechts:        Konsruktion einiger Einfallswinkel ε
                    oben links:  Ansicht aus Ost,
                                      überlagert ist die Konstruktion der Strahl-Brechung in einigen dagegen um die Vertikale
                                      verdrehten Ebenen (grün, schwarz, magenta und rot)

8.3 Ein weiterer Prototyp einer Sonnenuhr mit Lichtbrechung

Abb.Anhg.3   Prototyp einer horizontalen Sonnenuhr
                      mit Lichtbrechung, φ = 39,5°
                      Konstruktion: Rafael Soler Gayá (E)
                      Eigentum und Foto: Rolf Wieland (D)

Diese Sonnenuhr stammt aus dem Jahre 1999 (eine weitere hat Fred Sawyer (USA) 2012 vorgestellt). Sie zeigt, dass die Idee von Schilt nicht erst kürzlich erneut wieder aufgenommen und dass damals schon der vertikale Typ gebaut wurde.

Sie reicht von 6 Uhr bis 6 Uhr, berücksichtigt also streng, dass ihre nach Süden auszurichtende Vorderseite außerhalb dieses Zeitraumes unbesonnt bleibt.

Die Darstellung im Oberteil ist keine anzeigende zweite Sonnenuhr sondern lediglich das Signet der Veranstaltung, für die sie angefertigt wurde.

LogoSW Siegfried Wetzel, CH 3400 Burgdorf,
                            Oktober 2020

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