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Bilder einer Schienenweiche

siehe auch Schienenweiche

Die erste elektrisch betriebene Eisenbahn Europas, die damalige Burgdorf-Thun-Bahn, führt nur wenige Fußwegminuten an unserem Haus vorbei. Bei vielen meiner täglichen Spaziergänge aus der Stadt Burgdorf hinaus ins Umland kreuze ich diese Strecke zweimal und komme i.d.R. auf dem Rückweg an einer Gleisverbindung vorbei, die sich direkt im Anschluß eines Bahnübergangs beim Ortsteil Lärchenbühl befindet. Vor etwa zehn Jahren wurde die Strecke dort auf zwei Gleise verbreitert und eine Verbindung zum zweiten Gleis hergestellt. Die beiden Weichen werden für den Wechsel zwischen Links- und Rechtsverkehr und für die Verteilung der Züge hinein und heraus vom nahen Hauptbahnhof Burgdorf gebraucht. Die hier verkehrenden Züge sind keine Schnellzüge, sondern Regional-, Güter. und S-Bahn-Züge.

Von der dem Bahnübergang näheren, in einer Linkskurve verzweigenden Weiche (Abb.1) habe ich einige Fotos gemacht, die vor allem einige konstruktive Einzelheiten moderner Weichen zeigen sollen.

Abb.1   Die zweigleisige Bahnstrecke beim Bahnübergang Burgdorf/Lärchenbühl mit Blick stadtauswärts

Im Unterschied zu einfachen Weichen hat die abgebildete Weiche zur Standard-Verstellvorrichtung an den Zungenspitzen zwei weitere Verstellvorrichtungen nach jeweils etwas mehr als vier Metern. Alle drei sind kombiniert mit sogenannten Verschlüssen, mit deren Hilfe eine Formschluß zwischen der anliegenden Zunge und der zugehörenden Außenschiene hergestellt wird. Verschlüsse sind Kennzeichen dafür, dass die Weiche ohne oder ohne wesentliche Geschwindigkeitsminderung überfahren werden kann. Durch den Formschluss wird durch Erschütterung bei hohem Tempo hervorgerufene Spaltbildung zwischen Zunge und Schiene vermieden und sicheres Ablenken der Räder auf die anliegende Zunge gewährleist.Da es kaum noch Weichen ohne solche Verschlüsse gibt, spricht man inzwischen nicht mehr von Verstellvorrichtungen, sondern von Verschlüssen, womit die Verstellvorrichtungen mitgemeint sind. Die drei Verstellvorrichtungen inkl. ihrer sechs Verschlüsse (drei pro Zunge) werden von einem Antrieb gleichzeitig (Verbindungsstangen links in Abb.1 unter Blechabdeckungen, z.T.außerhalb der Bildkante) bewegt.

Abb.2   Linke Zungenspitze, anliegend (rechts: Oberkante über Länge > 2 m ansteigend, z.T. nachgezeichnet)

Abb.3   Rechte Zungenspitze, abliegend (eingestellt für Geradeausfahrt)

Die Zungenspitzen und die Außenschienen (Backen- oder Stockschienen), an denen sie anliegen, sind fein bearbeitet (Abb.2 und Abb.3). Vom Kopf der Außenschienen ist im Anliegebereich bis auf einen schmalen oberen Streifen Material abgearbeitet, so dass die Zungen vertieft anliegen. Diese sind oben verdünnt und verstecken sich quasi in den Nischen der Außenschienen. An der Spitze haben die Zungen auch noch nicht die volle Höhe. Die Spurkränze der Räder legen sich erst nach der Spitze an die Zunge an, wenn die Zunge aus der Außenschienen-Nische hervortritt und wenn sie wieder höher ist. Das Anliegen beginnt nach etwa einem Meter, und die volle Zungenhöhe ist nach mehr als zwei Metern erreicht (siehe Abb.2-rechts; in Abb.3 ist lediglich Schmierstoff vorher schon auf die Zunge gelangt).

Abb.4   Die linke Zunge zwischen Spitze und zweitem Verschluss
            mit Nummern der 60 cm auseinanderliegenden Schwellen

In Abb.4 sind zwei der drei Verschlüsse näher zu sehen (links in Ansicht, rechts in Draufsicht). Die Funktion ist in Schienenweiche (Abschnitt 4.2.2 Weichenverschluss) näher beschrieben. An späterer Stelle werde ich auch hier noch etwas näher darauf eingehen. Links neben dem ersten Verschluss (unter einer Blechhaube) ist noch ein schmaler Bügel zu erkennen. Der gehört zu einer sogenannten Zungenprüferstange (oder kürzer: Prüferstange), mit der die Stellung der Zunge ins Stellwerk rückgemeldet wird. Jede Zunge hat ihre eigene Prüferstange.

Bei jeder Schwelle ist die Zunge auf Gleitstühlen gelagert. Bei modernen Weichen werden zusätzlich Rollenlager eingebaut, die das Verstellen der Zungen leichtgängiger machen. Im Bild ist je ein solches Lager auf der Schwelle 1 und 6 zu sehen (ein weiteres auf Schwelle 4 ist nicht im Bild; allgemein auf jeder dritten bis vierten Schwelle). Die Rollen sind geringfügig höher als die Gleitflächen. In den Endlagen liegt die Zunge auf der Gleitfläche, über die die Last der darüber fahrenden Züge geführt wird. Von den Rollen wird die Zunge nur während des Verstellens getragen.

Links im Bild ist hinten noch die Weiterführung des Verschlussantriebs zu den Verschlüssen 2 und 3 zu sehen. Im rechten Bild ist die Lauffläche der Zunge nach mehr als 4 Metern ab Spitze immer noch sehr schmal. Die Räder laufen noch größtenteils auf der Außenschiene. Beim dritten Weichenverschluss (Abb.5-rechts, etwa 9 m ab Zungenspitze) hat die Lauffläche der Zunge inzwischen fast die volle Breite.

Abb.5   Weichenverschluss, Verbindung mit der Zunge:
            An die Zunge ist ein gabelförmiges Teil angeschraubt, an dessen freien Enden die unter der Zunge und der
            Außenschiene verschwindende Verschluss-Klinke drehbar gelagert ist. Unter der Klinke verschwindet
            wiederum die von der Gleismitte ausgehende Stange (Verschiebestange) für die Verschluss-Betätigung.
            Der rot nachgezeichnete Absatz an der Verschiebestange dient nicht zum Schieben der Zunge; der Stangenquerschnitt ist im
                vorderen Teil ab da lediglich weniger hoch.

Das Wesentliche des angewendeten Weichenverschlusses ist die von der Zunge aus unter sich und der Außenschiene durchgreifende Klinke bzw. Klammer (Klammerverschluss). Die Klinke ist drehbar an der Zunge befestigt, was das Einzige von außen Erkennbare ist (Abb.5). Mit ihr zusammen wird sie zur Außenschiene hin verschoben. Wenn die Zunge anliegt, wird die Klinkenspitze angehoben, wobei ihre überstehende Nase hinter die Außenkante des Fusses der Außenschiene platziert wird. Die Zunge wird auf diese Weise an die Außenschiene geklammert.

Sowohl das Verschieben als auch das Anheben erfolgt mit einer im Gleis quer und unter der Klammer verschieblichen Stange. Die Klammer hat auch an der Unterseite eine Nase, an die die Schiebestange angreift. Nach dem Ende des Anschiebens ist der Raum über der oberen Klinkennase frei, sodass die angeschrägte untere Nase gegen die weiter bewegte Schiebestange nach oben rutscht und die Klinkenspitze angehoben wird.

<< Abb.6   links: Übergang zwischen Zunge (unten)
                          und Innenschiene.
                rechts: das Weichen-Herz (Weichen-Anfang
                           unten außerhalb des Bildes)

Die beweglichen Teile der Zungen liegen auf 27 Schwellen, sind somit etwa 16 Meter lang. Danach gehen sie nahtlos in die bis zum Weichen-Herz führenden Innenschienen über, die fest auf den Schwellen befestigt sind (Abb.6-links). Bis zur Übergangsstelle werden die den Zungenteil bildenden Schienen beim Verstellen gebogen. Damit sie elastisch nicht zu weit nach außen ausweichen, sind ab der 19. Schwelle vier weitere Anschläge wie der im Bild sichtbare fünfte Anschlag an die Außenschiene montiert. Die Zungen sind in einem im Maschinen- und Gerätebau bekannten Federgelenk quer drehbar.

Die Distanz von der Weichenspitze bis zum Weichen-Herz (Abb.6-rechts) beträgt etwa 51 Meter (85 Schwellenabstände à 60 cm). Infolge dieser relativ großen Distanz ist der Kreuzungswinkel ("Weichenneigung") beim Herz ziemlich klein. Die Herz-Spitze ist ziemlich scharf und stoßempfindlich. Unter diesen Umständen wird die Radachse nicht nur gelegendlich sondern muss immer von den bei den Außenschienen angebrachten Radlenker-Schienen von der Herz-Spitze weg nach außen gezogen werden. In Abb.7 sind die Schleifspuren der Radkranzinnenseiten am Radlenker im Vordergrund (trotz Mittelpunkt der Gleiskurve auf Herz-Seite) deutlich, insbesondere an der Engstelle auf der Höhe der Herz-Spitze (gelbe und weiße Markierungen.

Abb.7   Weichen-Herz und Radlenker-Schienen (Weichenanfang links außerhalb des Bildes)

Abb.8   Blick über die Weiche hinaus

Abb.9   Blick zurück zum Anfang der Weiche beim Bahnübergang

LogoSW Siegfried Wetzel, CH 3400 Burgdorf, Mai 2020

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