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Die Kepler-Gleichung
für die Berechnung des Ortes eines Planeten auf seiner Bahnellipse zum Zeitpunkt t
Inhalt
1. Berechnung des Ortes eines Planeten auf seiner Bahnellipse zum Zeitpunkt t
2. Berechnung der Zentrischen Anomalie
2.1 Geometrische Begründung der Kepler-Gleichung
3. Berechnung der Wahren Anomalie
4. Literatur
1. Berechnung des Ortes eines Planeten auf seiner Bahnellipse zum Zeitpunkt t
Gemäß der im zweiten Keplerschen Gesetz enthaltenen Aussage, dass die vom Fahrstrahl zwischen Sonne und Planet überstrichene Fläche proportional mit der Zeit
wächst, ist der Ort des Planeten auf seiner Bahnellipse zum Zeitpunkt t berechenbar.
Der von Kepler dafür gefundene Rechenweg besteht aus zwei Schritten:
1. Berechnung des Ellipsen-zentrischen Winkels E (Zwischengröße, Zentrische Anomalie) und
2. Berechnung des Sonnen-zentrischen Winkels V (Planeten-Ort, Wahre Anomalie) aus dem Winkel E.
Der 2. Schritt ist eine einfache trigonometrische Umrechnung, während Kepler im ersten Schritt eine nicht geschlossen lösbare Gleichung (transzendente Gleichung) hergeleitet und angewendet hat. Unter Kepler-Gleichung wird nur diese verstanden. Der Grund dafür kann sein, dass sie transzendent ist und schwerer zu finden war als die ihr nachfolgende Rechnung.
Die Aussagen in den zugrundeliegenden beiden ersten Keplerschen Gesetzen folgerte Kepler aus einer großen Zahl von Positionsmessungen der Planeten, insbesondere aus solchen vom Mars, die Tycho Brahe und er selbst jahrelang vorgenommen hatten. Wichtige Voraussetzung war, dass Kepler nicht mehr im Geozentrischen Weltbild befangen, sondern vom Heliozentrischen Weltbild des Nikolaus Kopernikus überzeugt war.
Die Kepler-Gleichung und die nachfolgende Umrechnung sind das Ergebnis einer rein geometrischen Arbeit, bei der Kepler die in seinen Beobachtungen zu findenden Regelmäßigkeiten in Form von Gleichungen darstellte. Mit deren Hilfe kann der Ort eines jeden Himmelskörpers, der auf einer Ellipse einen Zentralkörper umläuft, zu einem beliebigen Zeitpunkt vorausberechnet werden, wenn die Form der Ellipse und die Umlaufzeit T des Himmelskörpers auf ihr bekannt sind.
Die physikalische Ursache erkannte später erst Newton. Er formulierte sie in seinem Gravitationsgesetz und zeigte, dass dieses und das zweite Keplersche Gesetz auch für die Bewegungen auf den anderen Himmelsbahnen (Parabeln und Hyperbeln) gelten.
Von der Ellipse braucht lediglich das Verhältnis b/a (oder umgekehrt a/b) zwischen ihrer kleinen und großen Hauptachse bzw. ihre numerische Exzentrizität e bekannt zu sein, da vom Planeten-Ort lediglich die Polarkoordinate Richtungs-Winkel (Wahre Anomalie V), nicht auch der Abstands-Radius gesucht wird (Abb.1, links)
2. Berechnung der Zentrischen Anomalie
Die Zwischengröße Zentrische Anomalie E wird für den Zeitpunkt t mit der Kepler-Gleichung berechnet. Diese lautet:
E - e sin E = M .
Die Schreibweise M auf deren rechten Seite ist eine von Kepler gewählte und Mittlere Anomalie genannte Kurzform.
Die ausgeschriebene Gleichung lautet:
E - e sin E = 2 π t/T .
Nach der Auflösung von M erscheint die vorzugebende Variable t und die neben der Ellipsenexzentrizität e weitere Konstante T als Zeitdifferenz für einen ganzen Umlauf des Planeten auf seiner elliptischen Bahn.
Die Zentrische Anomalie E ist ein Winkel mit seinem Scheitel im Zentrum der Ellipse: s. Abb.2.
2.1 Geometrische Begründung der Kepler-Gleichung
Der Fahrstrahl von der Sonne S zum Planet hat zwischen seiner Lage im Perihel A (Beginn der Zeitzählung: t=0) und seiner Lage P im Zeitpunkt t die schraffierte Fläche innerhalb der Ellipse zwischen deren großen Hauptachse und dem Fahrstrahl überstrichen (Abb.1, links). Die Größe dieser "Fahrstrahl-Fläche" ist leicht berechenbar, die Lage P daraus aber nicht direkt bestimmbar. Kepler fand heraus, das Letzteres auf dem Umweg über die berechenbare Lage des zu P affinen Punktes P' möglich ist.
Die dafür zu berechnende Größe ist der Richtungswinkel E des Punktes P' (s. Abb.2).
Abb. 1 links: ein Planet zum Zeitpunkt t auf einer elliptischen Bahn um die Sonne; die überstrichene Fläche
("Fahrstrahl-Fläche") hat den Wert a b π t/T
rechts: die bis zum Ellipsen-Umkreis "verzerrte Fahrstrahl-Fläche" hat gemäß der Affinität zwischen Ellipse
und Umkreis den Wert a2 π t/T.
Die Exzentrizität der Ellipse ist e = 0,8, und das Achsenverhältnis b/a = 0,6.
Anmerkung:
In der Astronomie wird das Formelzeichen e für die numerische Exzentrizität (eine relative, deshalb dimensionslose, nur mit einer Zahl bzw. einer Nummer angegebene Größe) und das Zeichen ε für die lineare Exzentrizität (eine absolute Größe mit Längen-Dimension) benutzt. Wegen der enormen Größe astronomischer Längenwerte, wird die lineare Exzentrizität wenig gebraucht, so dass mit dem Wort Exzentrizität i.d.R. die numerische E. gemeint ist.
Im Allgemeinen - so in der Mathematik - werden die beiden Formelzeichen in umgekehrter Bedeutung gebraucht.
Die "Fahrstrahl-Fläche" ist:
FASP = a b π t/T (Abb.1, links).
Sie ist ein Sektor der Ellipsen-Fläche a b π. Ihr Anteil an dieser ist t/T.
Die bis zum Ellipsen-Umkreis "verzerrte Fahrstrahl-Fläche" ist gemäß der Affinität zwischen Ellipse und Umkreis:
FASP' = a2 π t/T (Abb.1, rechts).
Ein Teil der vom Winkel E eingeschlossene Fläche FAZP' ("E-Fläche", Abb.2, links) ist FASP' ("verzerrte Fahrstrahl-Fläche"). Der andere Teil der "E-Fläche" ist die Fläche FSZP' ("Dreiecks-Fläche").
Abb. 2 links: die "E-Fläche"
rechts; die beiden Teile der "E-Fläche": die "Dreiecks-Fläche" und die "verzerrte Fahrstrahl-Fläche"
FAZP' - FSZP' = FASP'
Diese Relation zwischen den drei Flächen ist bereits die Kepler-Gleichung. Die bekannte Form entsteht, wenn man die Werte für die drei Flächen einsetzt.
Die "E-Fläche" ist ein Sektor der Umkreis-Fläche:
FAZP' = ½ a2 E. Umkreis-Fläche = a2 π Anteil-Faktor = E / (2 π)
Die "Dreiecks-Fläche" ist:
FSZP' = ½ e a a sin E. Grundseite= e a Höhe = a sin E
Die "verzerrte Fahrstrahl-Fläche" ist:
FASP' = a/b a b π t/T = a2 π t/T.
Sie ist gleich groß wie ein Sektor der Umkreis-Fläche mit Zentriwinkel 2 π t/T, den Kepler als Mittlere Anomalie M
bezeichnete (Abb.3, rechts).
Die Kepler-Gleichung lautet jetzt:
½ a2 E - ½ a2 e sin E = a2 π t/T.
½ a2 heraus gekürzt:
E - e sin E = 2 π t/T.
Bei Verwendung von M (= 2 π t/T) auf der rechten Gleichungsseite ensteht die Kepler-Gleichung in der bekannten Form:
E - e sin E = M, q.e.d.
Abb. 3: Die beiden Flächen FASP' (links: "verzerrte Fahrstrahl-Fläche") und FAZF (rechts: "M-Fläche") sind gleich groß
Mit dem Winkel M "normalisierte" Kepler die Zeit [1].
In den von Kepler zur Herleitung seiner Gleichung benutzten Zeichnungen wird er nicht benötigt. Kepler hat seine Gleichung mit M lediglich noch ein wenig kürzer geschrieben. M ist nur indirekt die bei ihrer Anwendung vorzugebende Variable. Direkt wird der Zeitpunkt t vorgegeben.
Man kann sich ihn als einen "Winkel im Bogenmass denken, der proportional mit der Zeit t wächst" [1]. Direkter gesagt: Der Ausdruck M =2 π t/T auf der rechten Seite der Gleichung ist genau so wie E auf der linken Seite ein Winkel im Bogenmaß; sein Name sei M. Als Zentriwinkel in einem Kreis mit dem Radius a begrenzt er den Sektor mit der
Fläche a2M/2 (Abb.3, rechts).
Kontrolle: für M seinen Wert 2 π t/T einsetzen >> a2 π t/T = "verzerrte Fahrstrahl-Fläche" (Abb.3, links).
Man kann sich M auch als Richtungswinkel eines die Sonne auf einem Kreis umlaufenden fiktiven Planeten F denken. Dieser wäre wie der sich drehende Zeiger einer Uhr ein Modell für den gleichmäßigen Verlauf der Zeit.
3. Berechnung der Wahren Anomalie
Die Gleichung für die Berechnung des Sonnen-zentrischen Winkels V (Planeten-Ort, Wahre Anomalie) aus dem Ellipsen-zentrischen Winkel E (Exzentrische Anomalie) lautet:
tan(V/2)=((1+e)/(1–e))1/2 tan(E/2).
Sie ist eine einfache, geschlossen lösbare Gleichung [2].
4. Literatur
[1] T. P. Wihler und H. R. Schneebeli:
Von den Keplerschen Gesetzen zur Keplergleichung und zum Planetenort,
2. Geometrie der Planetenbewegung: Keplergleichung
[2] Siegfried Wetzel:
Die Zeitgleichung für Nicht-Astronomen,
Anhang 3: Von Anomalie E zu Anomalie V
Siegfried Wetzel, CH 3400, Jul 2025
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