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Sonnenuhren mit zusätzlicher Weltkarte auf dem Zifferblatt

(Schriften der "Freunde alter Uhren", 1998)

Bemerkung von 2008

Die folgende Arbeit stammt aus dem Jahre 1997. Um die damals vorliegende einschlägige Literatur auf physikalische Grundlagen zu stellen, erwies es sich als nötig, die Rolle verwendeter Schattenstäbe zu klären, die kein Polstab sind. Ich tat das damals für die analemmatische und die astrolabische Sonnenuhr mit senkrechtem Stab, die mit zusätzlicher Weltkarte auf dem Zifferblatt beschrieben waren [4 und 6]. Später folgten zwei ausführlichere Arbeiten, womit auch nochmals auf diese allgemein gültigen Überlegungen hingewiesen wurde:

1. "Ableitung der analemmatischen Sonnenuhr aus der äquatorialen Ring-Sonnenuhr" (DGC-Jahresschrift 2004)
2. "Mathematische Beschreibung der analemmatischen Sonnenuhr" (DGC-Mitteilungen Nr.108, 2006)

Inhalt

1. Einleitung
2. Zweck einer Weltkarte auf einem Sonnenuhren-Zifferblatt
3. Verwendete Kartografische Abbildungen
4. Weltkarte, gnomonisch projiziert ; gnomonische Sonnenuhr
5. Analemmatische und astrolabische Sonnenuhr als Abwandlungen der gnomonischen Sonnenuhr
6. Weltkarte, orthografisch projiziert ; analemmatische Sonnenuhr
7. Eine einfache physikalische Erklärung der analemmatischen Sonnenuhr
8. Weltkarte, stereografisch projiziert ; astrolabische Sonnenuhr
9. Literatur (inkl. Bildnachweise)
10. Anhänge

1. Einleitung  ↑ Anfang

Sigmund hat in einer längeren Artikelserie über dieses Thema geschrieben, wobei er den historischen Aspekt in den Vordergrund stellte [1].

An dieser Stelle sollen die optischen und geometrischen Zusammenhänge betont werden. Der Untertitel des Artikels könnte lauten:
Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Projektionsapparat Sonnenuhr und den Projektionen bei der Herstellung von Weltkarten ?

2. Zweck einer Weltkarte auf einem Sonnenuhren-Zifferblatt  ↑ Anfang

Jedem Ort der Sonne am Himmel kann ein Ort auf der Erde zugeordnet werden, nämlich der Ort, über dem die Sonne senkrecht steht: subsolarer Punkt (Abb.1, Anhang 1).

<< Abb.1 Himmel und Erde   M = Standort  φ  = Breitengrad von M   S = subsolarer Punkt

Die Sonnen-Koordinaten am Himmel sind der Stundenkreis (-winkel) und der Parallelkreis (Deklinationswinkel). Ihnen entsprechen auf der Erde die Orts-Koordinaten Längen- und Breitenkreis. Der Stundenwinkel der Sonne bestimmt die Tageszeit, die Deklination ihres Parallelkreises bestimmt die Jahreszeit (Datum). Das auf einer gnomonischen Sonnenuhr (Anhang 2) zur Ablesung dieser Zeiten vorhandene Koordinatennetz und der Punkt-Schatten lassen sich auch zur Kennzeichnung des zugeordneten Erd-Ortes verwenden. Das Ableseergebnis ist dann der Längen- und Breitengrad des subsolaren Punktes.

<< Abb.2 Himmel und Erde (Globus), gnomonisch projiziert    PZ = Proj.- Zentrum   M = Standort   M' = Kartenmitte

Die Darstellung des Ortes auf der Welt, über dem die Sonne momentan senkrecht steht, wird höchst anschaulich, wenn man das Koordinatennetz zu einer kompletten Weltkarte ergänzt. Die globale Bedeutung der täglichen und jährlichen Sonnenbewegung ist auf diese Weise -mit genügend Geduld- bildlich erlebbar.

3. Verwendete kartografische Abbildungen  ↑ Anfang

Von Hake [2] übernommene Kartografische Ausdrücke sind fett geschrieben.

Vorgegeben sei die Beschränkung auf ebene Zifferblätter. Daraus folgt, dass die Kartenherstellung auch auf ebener Bildfläche erfolgen muss: azimutale Abbildungen. (Im Berührungspunkt des Globus' mit der Bildebene stimmen die Winkel, d.h. die Azimute auf Globus und Bild überein.)

Das Aussehen eines Sonnenuhren-Zifferblattes ist abhängig vom Stand-Ort. Bei der Kartenherstellung muss die Bildebene den Globus in diesem Ort berühren: zwischenständige Abbildung. (Ein Ort liegt im allgemeinen zwischen Aequator und Pol.)

Aus der Menge möglicher azimutaler Abbildungen werden schliesslich nur eigentliche Projektionen ausgewählt, nämlich die gnomonische, die stereografische und die orthografische.

Auswahlgründe:

  • Eine der Projektionen, nämlich die gnomonische ist von einer gnomonischen Sonnenuhr, d.h. von einer Sonnenuhr mit Punkt-förmigem Schatten-werfer allgemein bekannt. (Der allgemein verwendete Begriff stammt aus der Gnomonik.)
  • Die Projektionen wurden schon von den Astronomen der Antike erfunden und angewendet (Skaphe, Astrolabium und Analemma) und von den Kartografen in der Neuzeit übernommen und anfänglich häufig gebraucht. Neben Skaphe finden wir auch die Begriffe Astrolabium und Analemma bei den Sonnenuhren wieder.
  • Die durch Projektion erhaltenen Karten werden auch als Perspektiven bezeichnet. Sie entsprechen also dem Sehen mit dem Auge und haben deshalb einen Vorzug (Anhang 3).

4. Weltkarte, gnomonisch projiziert ; gnomonische Sonnenuhr  ↑ Anfang

Eine gnomonische Sonnenuhr ist ein Projektions-Apparat, der nach Ablauf eines Jahres denjenigen Sektor des sichtbaren Himmels ganz abgebildet hat, in dem sich die Sonne befinden kann.

<< Abb. 3 Zifferblatt einer gnomonischen Sonnenuhr mit zusätzlicher Weltkarte [3]

Die Gradnetze des Himmelsbildes auf dem Sonnenuhren-Zifferblatt und einer gnomonisch projizierten Weltkarte sind unmittelbar gleich, ist doch ihre Herstellung gleich (Abb.2, Anhang 4).

Die Projektionen beider Objekte sind übereinandergreifend dargestellt.
Das Projektionszentrum befindet sich jeweils in Kugelmitte. Also sind Himmels- und Globusmitte hier ein- und derselbe Punkt.

In Abb.3 ist ein komplettes Zifferblatt dieser Art zu sehen. Sein Vorbild ist eine alte Weltkarte von Ritter (1640), der in Nürnberg wirkte. Nürnberg ist deshalb die Mitte M' seiner Karte (Berührungspunkt mit dem Globus, Fusspunkt des Gnomons).

5. Analemmatische und astrolabische Sonnenuhr als Abwandlungen der gnomonischen Sonnenuhr   ↑ Anfang

Die o.g. Sonnenuhr (Abb.3) ist die mindestens seit dem Römischen Kaiser Augustus bekannte Normal-Version der gnomonischen Sonnenuhr. In der Neuzeit entstanden zwei untereinander ähnliche Abwandlungen, nämlich die analemmatische und die astrolabische Sonnenuhr.

<< Abb.4 Himmel und Skaphe

Sie wurden auch bald mit zusätzlichen Weltkarten für den eingangs erwähnten Zweck versehen. Die auf den beiden anderen klassischen Projektionen, der orthografischen und der stereografischen beruhen.

Grundfrage:
Wieso kann nun das Gradnetz ein solchen Karte auch auf einer Sonnenuhr verwendet werden, wenn diese doch eigentlich ein gnomonischer Projektionsapparat ist?
Die Antwort erstreckt sich bis zum Ende dieses Artikels.

Wir beginnen die Erklärungen, indem wir uns der Skaphe zuwenden, der Ur-Version der gnomonischen Sonnenuhr (Griechische Antike: Berosos und Aristarch): Abb.4.

Hier ist der sichtbare Himmel anstatt auf einer Ebene auf einer halben Hohl-Kugel gnomonisch projiziert. Dieses Bild machen wir wieder zu einem kugelförmigen Objekt und projizieren es nochmals, zusammen mit einem Globus wie in Abb.2, aber einmal orthografisch (Abschnitt 6), ein andermal stereografisch (Abschnitt 8).


<< Abb.5 Skaphe und Globus, orthografisch projiziert

6. Weltkarte, orthografisch projiziert;
analemmatische Sonnenuhr  ↑ Anfang

Bei der orthografischen Projektion befindet sich das Projektionszentrum im Unendlichen. Die Projektions-Strahlen sind untereinander parallel und senkrecht zur Bildebene (Abb.5, Anhang 5). Weil im Himmelsbild der Skaphe Nord und Süd vertauscht sind und bei der orthographischen Projektion keine Vertauschung stattfindet, ist der Globus gegenüber Abb.2 "umgepolt" angeordnet.

Abb.6 ist das Foto einer horizontalen Doppel-Sonnenuhr, dessen innerer Teil mit Weltkarte orthografisch projiziert ist. Der Schatten-werfende Stab dieser inneren analemmatischen Sonnenuhr ist der vertikale (kürzere und dickere) der beiden Stäbe. Die Originalbeschriftung "Astrolabische * Sonnenuhr" ist nicht richtig, denn im Astrolabium wird traditionell die stereografische Projektion (s.Abschnitt 8) verwendet.

Diese Sonnenuhr ist die allgemeine Form der klassischen analemmatischen Sonnenuhr, die vermutlich Vaulezard (1640) zuerst beschrieben hat. Seine Sonnenuhr ist "eindimensional", d.h. für eine zusätzliche Weltkarte nicht geeignet. Ihr Zifferblatt enthält nämlich anstatt der Schar von Breitenkreisen nur das elliptische Bild eines einzigen Kreises. Dafür wird der Schatten-werfende Stab Jahreszeit-abhängig eingestellt.

Auf die Vaulezard 's Sonnenuhr zugrundeliegende orthografische Projektion hat vermutlich erst Terpstra (1953) hingewiesen [5]. Obwohl seine Erklärungen seitdem als hinreichend gelten, wird hier erstmals auf die Rolle des senkrechten Schattenstabes als Bestandteil einer gnomonischen (Anhang 2) Sonnenuhr eingegangen.

Die Antwort auf unsere in Abschnitt 5. gestellte Grundfrage ist damit verknüpft.

<< Abb.6 Analemmatische Sonnenuhr mit Weltkarte [4]
als innerer Teil einer Doppel-Sonnenuhr

7. Eine einfache physikalische Erklärung der analemmatischen Sonnenuhr   ↑ Anfang

Objekt der orthografischen Projektion in Abb.6 ist eine Skaphe, bei Terpstra ein Aequatorialer Sonnenuhr-Ring. Es genügt, die "Verwandlung" der Skaphe zu verfolgen, die jener gnomonischen (!) Aequatorialen Sonnenuhr ist ähnlich.

Der Begriff und der Vorgang des Projizierens gelten nur für die Entstehung des neuen Zifferblattes, sie gelten nicht für die Entstehung der kompletten neuen Sonnenuhr.

<< Abb.7 Von der Skaphe zur analemmatischen
Sonnenuhr von Abb.6
orthografische Projektion und Verschiebung
Tageszeit: Wahrer Mittag     Datum: Tag/Nacht - Gleiche

Projizieren heisst ein (ebenes) Bild erzeugen. Die neue Sonnenuhr ist aber ebenso wie die, von der ausgegangen wird, ein 3-dimensionaler Gegenstand: In endlichem Abstand über dem Zifferblatt ist ein Schatten-werfender Punkt wirksam. Ausserhalb des Zifferblattes befindet sich auch der Punkt und Zifferblatt verbindende, ausgeblendete Sonnen-Strahl.

Beim Uebergang zur neuen Sonnenuhr werden Punkt und Strahl in Projektions-Richtung nur so weit verschoben, dass der Strahl wieder die zugehörende Stelle auf dem neuen Zifferblatt trifft: Abb.7.

  • Für jede Zifferblatt-Stelle ist die Verschiebung des Paares Punkt / Strahl verschieden weit. D.h., dass zu jeder Tageszeit und zu jedem Datum ein anderes Paar gehört.
  • Alle diese individuellen Schatten-werfenden Punkte befinden sich auf einer Geraden, die im Ausgangs-Punkt (Gnomon-Spitze) beginnt und in der Mitte des Zifferblatts (M' der Weltkarte) endet. Die Materialisierung dieser Geraden ist der senkrechte Schattenstab.
  • Ein Strahl wird materiell nicht verschoben, sondern ein jeweils anderer aus dem parallelen Sonnenlicht wird wirksam, d.h. ausgeblendet.
  • Die Tageszeit wird auf dem zum Datum gehörenden Breitenkreis abgelesen (Abb.6). Vom Stabschatten ist also nur ein Punkt -die Kreuzungsstelle mit dem Breitenkreis- nötig. Diesem Punkt entspricht auf dem Stab auch nur ein Punkt. Der stabförmig ausgedehnte Schattenwerfer ist also nur insofern nötig, dass er alle vorkommenden individuellen Schatten-werfenden Punkte enthält.
  • Trotz Verwendung eines Schattenstabes ist die analemmatische Sonnenuhr eine gnomonische Sonnenuhr.
  • Auf der normalen gnomonischen Sonnenuhr (Abb.3) können Tageszeit und Datum und der Ort auf der Erde, über dem die Sonne senkrecht steht, unmittelbar abgelesen werden. Die analemmatische Sonnenuhr liefert Informationen nur, wenn das Datum und damit auch der Breitenkreis bekannt sind.

Abb.8 Skaphe und Globus, stereografisch projiziert >>

8. Weltkarte, stereografisch projiziert;
astrolabische Sonnenuhr   ↑ Anfang

Bei der Prinzip-Diskussion der stereografischen Projektion kann Abb.8 helfen: Das Projektionszentrum befindet sich auf der Kugel-Oberfläche, gegenüber der darzustellenden Oberflächen-Hälfte. Es sind für Skaphe und Globus dasselbe Projektionszentrum, dieselbe Bildebene (Anhang 4) und das gleiche Projektionsergebnis (Koordinatennetz).

Abb.9 zeigt das Zifferblatt einer Doppel-Sonnenuhr, das auf der Doppel-Sonnenuhr von Oughtred (1636) beruht. Dessen Zifferblatt ist hier zusätzlich mit Weltkarten versehen. Wir beschränken uns auf den unteren Teil, der durch stereografische Projektion entstand. Dessen Ergänzung mittels eines senkrechten Schattenstabes (Fusspunkt unterhalb der oberen "12") ist eine astrolabische Sonnenuhr mit zusätzlicher Weltkarte.

Für diese Abwandlung einer normalen gnomonischen Sonnenuhr gelten die in Abschnitt 7 zur analemmatischen Sonnenuhr gemachten Erklärungen analog:

  • Alle individuellen Schatten-werfenden Punkte befinden sich auch auf der senkrechten Geraden zwischen Skaphen-Mitte (Gnomon-Spitze) und Zifferblatt-Mitte (M' der Weltkarte). Es ist hier die einzige senkrechte Projektions- und Verschiebe-Richtung (Abb.8). Die neuen Schatten-Strahlen sind länger als in der Skaphe. Die Materialisierung dieser Geraden ist wieder der Schattenstab.
  • Die Ablesemethode ist dieselbe wie für die analemmatische Sonnenuhr.
  • Die astrolabische Sonnenuhr ist ebenfalls eine gnomonische Sonnenuhr.
  • Auf ihr lassen sich auch nur Tageszeit und Längenkreis ablesen, wenn Datum und Breitenkreis bekannt sind.

<< Abb.9 Astrolabische Sonnenuhr mit Weltkarte [6]
als unterer Teil einer Doppel-Sonnenuhr

9. Literatur (inkl. Bildnachweise)  ↑ Anfang

[1] H.Sigmund "Die Weltkarte als astrolabische Sonnenuhr"
     SFAU, 1989-95
[2] G.Hake "Kartographie I" Berlin, 1975
[3] s.[1], 1990
[4] s.[1], 1995
[5] P.Terpstra "Zonnewijzers" Groningen und Djakarta, 1953
[6] H.Sigmund "Doppelsonnenuhren" SFAU, 1997
SFAU = Schriften der "Freunde Alter Uhren"



10. Anhänge  ↑ Anfang

Anhang 1: Anstatt eines ausführlichen Koordinatennetzes sind hier (und in weiteren Abbildungen) nur der Längenkreis Meridian (mit den beidseitigen Längenkreisen ±30°) und der Breitenkreis Aequator mit den beiden Wendekreisen gezeichnet.   ↑ zurück

Anhang 2: Der Schatten-Werfer ist Punkt-förmig. Dafür dient traditionell eine Stab-Spitze = Gnomon. Bei der Polstab-Sonnenuhr ist der Schatten-Werfer Linien-förmig und zeigt zum Himmels-Pol.   ↑ zurück

Anhang 3: Für orthografische Projektionen gilt der Vorzug ohne Einschränkung. Stereografische und mehr noch gnomonische Perspektiven sind ungewohnt. Sie sind aber vorstellbar und mit Hilfe eines durchsichtigen Globus' auch zu sehen.   ↑ zurück

Anhang 4: Die Kartenprojektion ist am einfachsten mit Hilfe der oberen, transparenten Bildebene verständlich. Das Bild muss aber von der Rückseite her betrachtet werden. Das gegenüberliegende Bild auf dem Zifferblatt ist ebenso richtig und von vorn herein nicht seitenverkehrt. Seine Entstehung erinnert an eine optische Abbildung mit Hilfe einer Linse im Projektionszentrum.   ↑ zurück

Anhang 5: Die orthografische Projektion ist aus den Zeichnungen der Ingenieure, Architekten und anderer Techniker bekannt. Es sind die Ansichten und Schnitte und die räumlich wirkenden Isometrien. In unseren Abbildungen ist sie generell "im Hintergrund" gebraucht. Deshalb sieht z.B. die Draufsicht in Abb.4 bereits wie die in Abb.5 ausdrücklich orthografisch projizierte Skaphe aus.   ↑ zurück

LogoSW Siegfried Wetzel, CH 3400 Burgdorf, Januar 2008

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